Im Kunstkreis Norderstedt treffen Berufskünstler auf Hobbymaler, um sich gegenseitig zu inspirieren. Auch der Meinungsaustausch ist für den Verein sehr wichtig

Norderstedt. Mit der Kunst ist das immer so eine Sache. Die einen finden etwas großartig, was anderen gar nicht gefällt. Mit diesem Dauerproblem der Kunst mussten selbst die bedeutendsten Maler und Bildhauer ihrer Zeit irgendwie zurecht kommen. Manchen gelang dies gut, wie Michelangelo Buonarotti, Pablo Picasso oder Peter Paul Rubens. Anderen machte dies das Leben schwer, wie etwa Vincent van Gogh. Doch wer kreativ sein will und neue Grenzen erreichen will, der muss auch mal den unbequemen Weg gehen und über den Tellerrand hinaus schauen. So, wie beim Kunstkreis Norderstedt. Hier treffen sich Hobbymaler und professionelle Künstler, um sich gegenseitig zu inspirieren und einen neuen Blick auf die Welt zu gewinnen.

Insgesamt 83 Mitglieder zählt der Kunstverein derzeit, davon sind 50 als aktive Maler tätig, hinzu kommen einige Bildhauer und Fotokünstler. Und dann gibt es da noch jene, die selbst nicht unbedingt zu einem Pinsel greifen, aber dennoch ein reges Interesse an Kunst haben. „Wir haben daher mehrere Angebote für Kunstinteressierte im Verein. Zum einen wird natürlich gemalt. Dann gibt es aber auch Vorträge und Ausflüge zu ausgewählten Kunstausstellungen“, sagt Jolind Kaczmarz. Wichtig ist für uns im Verein, dass es vor allem einen Meinungsaustausch zwischen den Mitgliedern auf allen Ebenen gibt, die derzeit Vorsitzende im Verein ist. „Wir treffen uns jeden ersten Montag im Monat zu unserer Montagsrunde im kirchlichen Zentrum am Falkenberg. Die Themen, denen wir uns dann widmen, das sind zum Beispiel Bildbesprechungen und Gespräche mit Künstlern“, sagt die Vereinschefin.

Der Verein ist so alt wie die Stadt Norderstedt

Referate und Bildvorträge zur Kunstgeschichte, Diskussionen zu aktuellen Anlässen, künstlerischen Techniken und Inhalten und Ausstellungen sind ebenso Teil des Programms. „Wichtig ist für uns im Verein, dass es vor allem einen Meinungsaustausch zwischen den Mitgliedern auf allen Ebenen gibt. Das heißt, Hobbymaler können ebenso mit Hobbymalern diskutieren, wie mit den Berufsmalern und andersherum“, sagt Kaczmarz.

Dass dieser Austausch immer noch funktioniert, das ist gar nicht mal so selbstverständlich, denn nicht selten schläft das Leben in dem einen oder anderen Verein ein. Nicht so beim Kunstkreis. 1970 wurde der Verein gegründet. Er ist damit so alt wie die Stadt Norderstedt. Und recht zügig hat sich der Kunstkreis zu einer festen Institution in der Region entwickelt. Von der Stadt wird er als anerkannter Kulturträger gefördert und jedes Jahr werden zwei Ausstellungen für die Maler, Bildhauer und Fotokünstler organisiert.

Die Jahresausstellung im Norderstedter Rathaus wurde vor kurzem eingeweiht. „Hier zeigen die Vereinsmitglieder freie Arbeiten. Jedem ist völlig freigestellt, zu welchem Thema seine Arbeit ist“, sagt Kaczmarz. Das Ergebnis dieser Ausstellung ist, dass sich immer Gegenpole bilden, die so im Vorfeld nie beabsichtigt sind, der Ausstellung aber eine immense thematische Breite und damit auch Vielfalt verschaffen. Stillleben stehen in einem Raum mit hoch politischen Themen wie Migration, Gefühle der Angst stehen der Sehnsucht nach der Natur gegenüber. Impressionistisches und Realistisches paart sich mit Abstraktem, Großformatiges mit ganz Kleinem.

Das Nebeneinander von den Künstlergruppen ist unproblematisch

Aber ist das Nebeneinander von Berufskünstlern mit Hobbykünstlern nicht problematisch, führt es nicht zu Spannungen und Konkurrenz innerhalb des Vereines? Kaczmarz lächelt und schüttelt den Kopf. „Nein, überhaupt nicht. Die Berufskünstler profitieren von den thematischen Ausarbeitungen der anderen und ziehen da teilweise auch Inspirationen heraus für ihre eigenen Arbeiten. Wenn wir nicht gemeinsam so vielfältig und vielschichtig arbeiten würden, dann würden wir auch nicht zwei Ausstellungen im Jahr hinbekommen.“

Man müsse auch unterscheiden, mit welcher Ernsthaftigkeit die Kunst betrieben werde. Auf der einen Seite ist da der Berufskünstler, der mit Leib und Seele für die Kunst arbeitet, für den die bildende Kunst ein Stück weit Lebensbestimmung ist. Er macht sich viele Gedanken über sein Werk, wie er eine Idee in Kunst umsetzt, welche Wirkung es haben kann und natürlich, ob es einen Markt für diese Kunst gibt.

Bei den Ausstellungen zeigt sich, welche Vielfalt in der Kunst liegt

Auf der anderen ist da der Hobbymaler, der die Kunst als Ausgleich zum Berufsalltag genießt und eher spontan seine Themen sucht und findet und keinem monetären Erfolgszwang unterliegt. Eigentlich bewegen sich beide Gruppen trotz gleicher Interessen konsequent auf zwei unterschiedlichen Ebenen. Bei der thematischen Ausstellung kommen sie sich aber näher, denn dann wird unter einem Oberbegriff von allen etwas kreatives in Form und Farbe gefasst. Etwa unter dem Thema „Zeichen“. Dann wird alles, was wie ein Zeichen aussehen kann oder damit in Verbindung steht, sowie alle optischen und inhaltlichen Assoziationen, die sich aufdrängen, kreativ dem Betrachter vermittelt. Bei diesen Ausstellungen zeige sich hervorragend, so Kaczmarz, welche Vielfalt in der Kunst liege.

Zum Thema Vielfalt: Es gibt ja nicht nur den Kunstkreis Norderstedt als Verein, der sich der Kunst widmet, sondern auch Vereine wie Malimu. „Das sind aber zwei ganz unterschiedliche paar Hüte“, sagt die Vereinschefin. „Malimu ist sehr viel breiter aufgestellt als wir, die widmen sich ja auch der Literatur, der Musik und dem Töpfern. Dafür gibt es bei uns im Verein keinen Platz. Wir konzentrieren uns ganz auf Bilder und ein wenig auf Skulpturen“, sagt sie. Und Reibereien mit den anderen Vereinen gebe es schon gar nicht. Ganz im Gegenteil, man schätze, was die anderen machen. Und diese Wertschätzung ist nicht einseitig: Bei der Ausstellungseröffnung im Rathaus ist prompt eine Gruppe von Malimu-Mitgliedern dabei, betrachtet das Werk der anderen und sucht den konstruktiven Dialog mit den Künstlern.

Organisiert ist der Kunstkreis Norderstedt in mehrere Gruppen. Im Kunsthaus am Glashütter Damm trifft sich jeden Freitag eine freie Malgruppe, bei der unter der Anleitung von Dozenten gearbeitet wird. Jeweils einmal im Monat wird von Renate Krohn eine Aquarellgruppe angeboten, die sich sonnabends im Kunsthaus trifft. Die Ateliergemeinschaft am Mittwoch setzt sich mit eigenen und in Wochenend-Seminaren vorgestellten Themen und Inhalten auseinander. Viele der hier erarbeiteten Werke werden später in einer der Ausstellungen des Vereins gezeigt, die vom künstlerischen Beirat mit Claudia Meyberg, Gudrun Sommer, Katharina Hansen-Gluschitz, Helga Kessler, Karin Jacob und Martin Czarnecki gestaltet werden.

Auf der Homepage werden die Künstler vorgestellt

Wichtig für den Verein sei auch die Homepage, die den Kunstkreis im Internet darstellt. Bei so vielen aktiven Künstlern im Verein sei es für Außenstehende oft schwer, den Überblick über das „Who is who“ im Verein zu bewahren. „Katharina Hansen-Gluschitz kümmert sich um unsere Webseite, wo alle Künstler im Detail zu sehen sind“, sagt die Vereinschefin. Mit den dort vorhandenen Künstlerporträts kann jeder zum Beispiel nach einer Ausstellung mehr zu einzelnen Künstlern erfahren. Diese Transparenz hilft nicht nur den Bürgern, die Künstler besser kennenzulernen – es zeigt auch nach außen, wie Vielfältig die Norderstedter Kunstszene ist und es hilft Künstlern, aus der Anonymität auszubrechen.

Am kommenden Montag stellen wir den Verein Straßentiger vor. Alle Folgen der Serie finden Sie im Internet.

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