Ingrid Schulz und Elke Schaack fahren seit 35 Jahren Essen aus und versorgen Bedürftige – immer noch mit viele Freude am ehrenamtlichen Einsatz

Kreis Segeberg. Natürlich weiß Ingrid Schulz, wo der Teelöffel zu finden ist. Schließlich ist die 77-Jährige regelmäßig zu Gast im Haus von Peter Horst. Der 78 Jahre alte Rentner aus Nahe zählt zu den Stammkunden von Elke Schulz – sie ist eine von sechs Frauen, die für das Rote Kreuz in Nahe, Itzstedt und Kayhude Essen ausfährt. Und das nun schon seit 35 Jahren und ehrenamtlich. Die Fahrerinnen haben im Laufe der Jahre gewechselt, doch Ingrid Schulz und Elke Schaack, 76, sind von Anfang an dabei.

„Wir waren schon damals im Roten Kreuz, und als die damalige Gemeindeschwester an uns herantrat und fragte, ob wir diese Aufgabe übernehmen würden, haben wir nicht lange gezögert“, sagt Ingrid Schulz, die sich auch schon vorher engagiert hatte, bei Ausflügen den Menschen half, die nicht mehr mobil waren. Am 7. Oktober 1978 haben die freiwilligen Helferinnen die ersten Essen zu denen gebracht, die nicht mehr selbst für sich sorgen konnten.

Damit lief ein Räderwerk an, das bis heute nicht stillsteht, allerdings mehrfach durch Sand im Getriebe bedroht war. Zweimal hat das Sextett die Küche gewechselt, auch mit privatem Kochen haben es die Frauen versucht. „Als die Zahl der Abnehmer auf zwölf anstieg, haben wir im Heinrich-Sengelmann-Krankenhaus in Bargfeld-Stegen angefragt“, sagt Elke Schaack – wie Ingrid Schulz eine Frau der ersten Stunde. Die Kooperation klappte so gut, dass Köche und Lieferantinnen bis heute zusammenarbeiten.

Benjamin Koch heißt nicht nur so, er bereitet auch die Mahlzeiten zu. Königsberger Klopse, Kartoffeln und Rote Beete stehen an diesem Tag auf dem Speiseplan. Zum Nachtisch gibt es Joghurt. Die Schalen werden gefüllt, verschlossen und in wärmendes Styropor verpackt. Heute bringen Elke Schaack und Ingrid Schulz das Mittagessen gemeinsam zu den Männern und Frauen – eine Ausnahme für den Jubiläumsbericht. „Normalerweise erledigt das eine allein, und wir wechseln uns ab“, sagt Ingrid Schulz, als sie mit ihrer Partnerin die anthrazitfarbenen Pakete in den Kofferraum des blauen Citroën Picasso lädt.

Ab geht es, Elke Schaack fährt flott in den schmalen Weg nach Kayhude, weicht dem Trecker aus, biegt rechts ab und links, kennt sich aus im Gewirr der kleinen Straßen und stoppt. Klappe auf, Essen raus und im Eilschritt zur Haustür. „Wir sind ein bisschen knapp, und die Leute warten schon“, sagt sie und kommt schon zurück. „Der Mann ist heute nicht da, hat er mir auch gesagt“, sagt die Lieferantin, die das Essen vor die Tür gestellt hat. Zurück auf die B432, rauf aufs Gaspedal, die nächste Anlaufstelle ist in Nahe. „Da muss ich heute kassieren, weil die Abnehmerin morgen nicht da ist und kein Essen bekommt“, sagt Elke Schaack, ehe sie ihren Wagen vor dem Haus von Peter Horst stoppt.

Klingeln, die Tür öffnet sich: „Das Essen ist da“, ruft Ingrid Schulz. Der Empfänger hat sich aus seinem Rollstuhl schon hintern den Esstisch geschwungen. „Das Besteck ist ja auch schon da“, sagt Elke Schaack. Peter Horst bekommt seine Mahlzeiten seit zwei Jahren geliefert und ist zufrieden: „Das schmeckt, ist reichlich, und für 4,20 Euro pro Mahlzeit kann man das nicht kochen“, sagt der 78-Jährige. Die Damen seien alle nett, und besonders freut er sich auf den Sonntag, wenn sein Skatbruder Bernhard Born das Essen bringt. Der einzige Mann im Team springt ein, damit die Frauen auch mal einen Ruhetag haben.

Einmal im Monat treffen sich die Essen-Ausfahrerinnen, um die Termine abzusprechen. „Wir kennen uns so lange, dass wir notfalls auch kurzfristig den Terminplan ändern können“, sagt Ingrid Schulz, die ihre Touren mit einem großen „E“ in den Küchenkalender einträgt. Der Eintrag bedeutet: Der Tag ist zerrissen. Eineinhalb bis zwei Stunden brauchen die Fahrerinnen, um die rund 25 Kilometer lange Lieferrunde zu absolvieren. Es gibt eine kleine Aufwandspauschale, doch die reicht schon lange nicht mehr für das Benzingeld.

Der Rückblick ergibt beachtliche Zahlen und Eindrücke: 12.775 Essen haben die Lieferantinnen in 35 Jahren ausgefahren und dabei in den eigenen Autos 254.800 Kilometer zurückgelegt. Und sie haben Menschen kennengelernt, ganz unterschiedliche, wie den taubstummen und sehr intelligenten Senior, der die 90 schon deutlich überschritten hatte, aber immer Schlips und Kragen trug. Nach dem Klingeln öffnete sich die Wohnungstür. „Und wenn auf unser Rufen keine Antwort kam, wussten wir: Er ist mal wieder über seinem Schachbrett eingeschlafen“, sagt Ingrid Schulz. Einmal behutsam am Arm rütteln, und der Mann ist bereit für die Nahrungsaufnahme. Natürlich haben die mobilen Frauen auch traurige Momente erlebt hat, wenn sich die Gesundheit verschlechtert, Demenz eintritt und die Menschen sterben.

„Was aber bleibt, ist die Freude und die Dankbarkeit der Menschen, wenn wir kommen“, sagt Ingrid Schulz. Und dabei geht es nicht nur ums Essen. Zwar haben die Fahrerinnen nicht viel Zeit, aber für einen kurzen Klönschnack reicht es immer. „Und für viele ist der genauso wichtig wie das Mittagessen“, sagt die Kayhuderin.

Was die Fahrerinnen von ihren Kunden zurückbekommen, reicht, um sich immer wieder für den ehrenamtlichen Dienst zu motivieren. Allerdings zwickt bei Ingrid Schulz der Rücken, irgendwann wird sie wohl aufhören und hofft, dass Jüngere nachrücken.