Zur Alarmierung der Bevölkerung hat die Stadt Norderstedt ein Warnsystem mit Sirenen an 15 Standorten aufgebaut

Norderstedt. Es war am 28. September 2010 als in Glashütte die Lichter ausgingen. Und nicht nur die. Kompletter Stromausfall über sieben Stunden. Ein Viertel im Ausnahmezustand. „Wir fuhren mit Lautsprecherwagen durch die Straßen und versuchten, die Bürger über die Lage zu informieren“, erinnert sich Joachim Seyferth, der damals noch Wehrführer in Norderstedt war. „Die Leute verstanden von den Ansagen nur etwa die Hälfte. Da ging uns auf, wie wichtig Sirenen wären, um möglichst alle Bürger aufhorchen zu lassen.“

Die Stadt hat mittlerweile 300.000 Euro ausgegeben, um das zu ändern. Die Stadt hat wieder ein flächendeckendes Alarmierungssystem mit 15 Sirenen, verteilt im gesamten Stadtgebiet. „Vier Standorte müssen noch fertiggestellt werden. Aber am 29. Januar, um 10 Uhr, wollen wir die Sirenen zum ersten Mal testen. Dann ist das System scharf gestellt“, sagt Seyferth, der heute das Amt für Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz leitet.

Bis zum Ende des Kalten Krieges in den 90er-Jahren gehörten Sirenen auf den Hausdächern zum gewohnten Stadtbild. „Doch als der Bund nicht mehr davon ausging, dass aus dem Osten was Böses kommt, wollte er die Sirenen und ihre Wartung abstoßen und bot sie den Kommunen zur Selbstverwaltung an. Norderstedt hat das damals, wie viele andere Städte abgelehnt“, sagt Seyferth. Es wird heute bei der Alarmierung auf die digitalen Wege der Bevölkerungsinformation gesetzt: Über PC oder Smartphone im Internet, natürlich auch über TV und Radio. „Doch das flächendeckende Wecken des Bürgers, ihm zu signalisieren, es ist was passiert, schalte dein Radio ein, informiere dich im TV oder Internet – das geht nur über die Sirenen“, sagt Seyferth.

Losheulen sollen die Sirenen immer dann, wenn von der Bevölkerung ein bestimmtes Verhalten erforderlich sei. Bei Naturkatastrophen, Bränden oder bei Schadstoffunfällen, wenn also Schutzräume aufgesucht werden sollen, das Freie gemieden und Türen und Fenster geschlossen werden müssen. Im Gegensatz zu den alten Sirenensystemen werden die neuen Sirenen nur noch zwei Töne von sich geben: den Warn-Ton, ein auf- und abschwellender Ton über eine Minute, und ein Entwarnungston, durchgehend und ebenfalls eine Minute lang. „Wer den Warnton hört, sollte TV, Radio anmachen oder ins Internet gehen, um sich zu informieren. Wenn keine Informationskanäle zur Verfügung stehen, gibt es ,Leuchttürme’ als Anlaufstellen in Norderstedt“, sagt Seyferth. Das seien die vier Feuerwehrwachen, das Polizeirevier an der Europaallee und das Rathaus. „Da gibt es Notstrom, Hilfe und alle Infos.“

Beim Stromausfall im Jahr 2010 habe sich gezeigt, wie schnell die Infrastruktur in einer modernen Stadt zusammenbrechen kann. In den Supermarktkühltheken vergammelte die frische Ware. Die Leute kamen in die Feuerwehrwachen, um ein Gläschen für Kleinkinder aufzuwärmen oder sich heißes Wasser für Tee zu besorgen. „Wenn so ein Zustand länger als sieben Stunden geht, was vorstellbar ist, dann wird das immer brisanter“, sagt Seyferth. Die wenigsten Haushalte hätten Essensvorräte für mehr als 24 Stunden.

Entgegen der Routine in früheren Jahren wird es jetzt nicht jeden Sonnabend Sirenen-Probealarm in Norderstedt geben. Die Sirenen der neuen Generation lassen sich komplett lautlos auf ihre Funktionstüchtigkeit hin testen. Gesteuert, geprüft und im Notfall ausgelöst werden die 15 Sirenen im Stadtgebiet durch die Leitstelle Holstein. „Allerdings wollen wir sie schon jedes Halbjahr ein Mal heulen lassen, damit die Norderstedter auch wissen, wie sich das anhört. Nach dem ersten Test am 29. Januar soll ein zweiter Test am 25. Juni 2013 folgen. Für die Wartung der Anlagen muss die Stadt im Jahr etwa 4000 Euro aufbringen.

Alle Infos über die Sirenen hat die Stadt in einem Flyer zusammengefasst, der an alle Haushalte verschickt wurde. Außerdem sind die Flyer mit einem QR-Code versehen. Wer ein Smartphone hat und sich den Code aufbewahrt, der muss ihn im Alarmfall einlesen und landet auf einer Seite mit Infos zur Gefahrenlage. Bleibt nur zu hoffen, dass das Smartphone dann noch ausreichend Saft im Akku hat.