Angeklagter kann sich angeblich an nichts erinnern. Prozess wird fortgesetzt

Norderstedt. Er konnte die Trennung von seiner Freundin nicht verwinden: Fünf Tage, nachdem Gabriele S. die Beziehung beendet hatte, suchte Oliver G., 45, aus Itzehoe Ende April 2012 seine Ex-Partnerin in den frühen Morgenstunden in deren Norderstedter Wohnung auf. Er las ihr aus seinem Tagebuch vor, stieß aber bei der Frau auf Ablehnung und wurde zunehmend aggressiver.

Laut Anklage der Staatsanwaltschaft schubste Oliver G. seine Ex-Freundin S. auf ihr Bett, zerrte ihr das Nachthemd und den Slip vom Leib, versuchte sie zu vergewaltigen. Als er seinem Opfer die Beine zurückdrückte, soll ein lautes Knacken zu hören gewesen sein, worauf der Angeklagte von seinem Opfer abließ, aus der Küche 20 Euro stahl und verschwand.

Vor dem Schöffengericht in Norderstedt sahen sich Täter und Opfer jetzt wieder, wobei Gabriele S. als Nebenklägerin auftrat. Der Angeklagte berichtet davon, wie er seine Freundin in einer Tagesstätte für sozial Schwache und obdachlose Menschen kennengelernt hatte. Dort hatte Gabriele S. ehrenamtlich gearbeitet. Ende 2011, so der Angeklagte, sei er mit Gabriele S. zusammengekommen. Diese Beziehung sei auch der Grund dafür, dass er es geschafft habe, nach vielen Jahren mit dem Trinken aufzuhören.

Jedoch habe Gabriele S. am Tage der Konfirmation seiner Tochter im April 2012 die Beziehung beendet. Ab diesem Tag habe er nur noch getrunken – auch bei seinem Besuch am Tattage sei er betrunken gewesen, so der Angeklagte weiter. Er sagt, dass er sich an die Vergewaltigungstat nicht erinnern könne. Er wisse nur noch, dass er das Nachthemd seines Opfers zerrissen und ihr wohl „irgendwie“ wehgetan habe. Es tue ihm alles sehr leid, eigentlich habe er seine Ex-Freundin aufgesucht, um sie zurückzugewinnen.

Gabriele S. fällt es offensichtlich schwer, ihre Version des Geschehens darzulegen. Sie muss immer wieder weinen und vermeidet es, den Angeklagten anzusehen. Sie berichtet im Prozess, dass sie dreimal versucht habe, die Beziehung zu beenden, denn der Angeklagte habe sie kontrolliert, verfolgt und gelegentlich bestohlen. Doch wenn der Ex-Freund tränenüberströmt wieder angekommen sei, sei sie immer wieder weich geworden.

Sie sei erstaunt gewesen, wie gefasst ihr Freund dann das endgültige Aus der Beziehung hingenommen habe, betont die gelernte Buchhalterin, die wegen einer schweren Erkrankung berufsunfähig ist. Durch den Gewaltangriff des Angeklagten erlitt sie einen Lendenwirbelbruch, der noch ein Jahr später geschmerzt habe. Nach ihrem Eindruck war der Angeklagte bei der Vergewaltigung vollkommen nüchtern. Der Angeklagte habe sie nach dem Übergriff mit Briefen und Anrufen überhäuft. Auch vor ihrer Tür habe er oft gestanden, obwohl sie ein gerichtliches Annäherungsverbot erwirkt hatte.

Einmal habe er auf der Terrasse ihrer ebenerdigen Wohnung übernachtet, ein anderes Mal holte die Polizei den Angeklagten vor der Haustür der Ex-Freundin ab und brachte ihn über Nacht in eine Ausnüchterungszelle. Die Belästigungen hätten bis zu vier Monaten nach der Tat angedauert, erklärt Gabriele S., die nach wie vor große Angst hat. Allerdings ist der Angeklagte mittlerweile nach verschiedenen Entzugstherapien nach Itzehoe gezogen.

Da der Angeklagte dabei bleibt, nach dem Genuss von etwa zwölf Bieren und einigen Schnäpsen zur Tatzeit betrunken gewesen zu sein, beschließen Richter Jan Buchert und die Schöffen, Ende November per Sachverständigengutachten klären zu lassen, wie hoch der Alkoholpegel des Angeklagten zur Tatzeit gewesen ist. Außerdem sollen auf dem Anrufbeantworter von Gabriele S. aufgenommene Anrufe des Angeklagten angehört werden.