„Ausgemerzt!“ in der Vicelin-Kirche soll an den 75. Jahrestag der Reichs-Pogromnacht erinnern

Norderstedt. „Heut war ich bei der Frieda“ bis zum Operetten-Schmachter „Dein ist mein ganzes Herz“ sind Evergreens und immer wieder gern gehört. Doch wer schrieb diese Chansons, Lieder und Texte, die so fröhlich machen? Norderstedts Chansonnier Hans-Werner HaWe Kühl hat monatelang recherchiert und entdeckt, dass es überwiegend jüdische Textdichter und Komponisten waren, Künstler, die vom NS-Regime „ausgemerzt“ wurden. Am Sonnabend, 9.November, stellt Kühl „Ausgemerzt!“ von 20 Uhr an in der Vicelin-Schalom-Kirche am Immenhorst 3/Glashütter Damm in Norderstedt vor und will mit der Kirche an den Auftakt zum Holocaust, an die Reichs-Pogromnacht erinnern.

„Ausgemerzt!“: Das Unwort der Nazis schrieb Kühl auch über sein Programm, in dem er die jüdischen Textdichter und Komponisten vorstellt, von den Brüdern Wolf, die mit dem „Tüdelband“, über Kurt Gerron, Fritz Löhner-Beda, der das berühmte „Dein ist mein ganzes Herz“ schrieb, bis Willy Rosen und den Comedian Harmonists. Sie wurden von Freunden und Kollegen verraten, gedemütigt, in KZs deportiert, entwürdigt und ermordet. So half auch beispielsweise Franz Lèhar seinem jüdischen Textdichter Fritz Löhner-Beda nicht, als dieser immer mehr von den NS-Schergen drangsaliert wurde. Am 17. Oktober 1941 deportierten ihn die Nazis ins KZ Auschwitz und erschlugen ihn dort am 4. Dezember 1942, weil eine Gruppe von IG-Farben-Direktoren seine Arbeitsleistung moniert hatte. Seinen Namen löschte die „Reichsmusikkammer“ aus allen Dokumenten.

Diesem Grauen stehen die wunderbar leichten, charmanten und oft frivolen Texte und Lieder, Chansons und Couplets gegenüber. Dazu berichtet Kühl über die Schicksale, über Deportation, Ermordung oder Emigration. „Ich zeige auch die Gesichter der Künstler, denn wir sollten ihnen heute wieder ins Gesicht blicken und sie vom Dunkel der Geschichte befreien“, sagt Kühl.

Kühl, begleitet von Rainer Lankau am Flügel, singt beispielsweise Chansons wie „Das find’ ich reizend von Lulu“, von Willy Rosen, ermordet am 28. Oktober 1944 im KZ Auschwitz, „Heut war ich bei der Frieda“ von Siegfried Arno, „Das Nachtgespenst“ von Kurt Gerron, „Dat Paddelboot“ von den Brüdern Wolf, „In der Bar zum Krokodil“ von Fritz Löhner-Beda, „Irgendwo auf der Welt“ von den Comedian Harmonists und Chansons von Friedrich Hollaender. „Die Nazis zerschlugen die lebendige und vielfältige Szene der Cabarets und der Varietés, deren Kultur wir letztlich den jüdischen Komponisten, Textern und Interpreten zu danken haben“, sagt Kühl.

Karten zu sieben Euro gibt es im Kirchenbüro und zu acht Euro an der Abendkasse.