Hauptzollamt Itzehoe machte eine Razzia bei einem Norderstedter Unternehmen

Norderstedt. Mehr als 40 Zöllner des Hauptzollamtes Itzehoe schwärmten am Mittwoch in die Geschäftsräume und diversen Wohnadressen einer großen Norderstedter Gebäudereinigungsfirma in Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern aus. Dem Geschäftsführer der Firma wird vorgeworfen, in erheblichem Umfang Lohndumping zu betreiben und Sozialversicherungsabgeben für seine Mitarbeiter nicht eingezahlt zu haben. Und das nicht zum ersten Mal.

„Wir haben diese Firma schon sehr lange am Wickel“, sagt Thomas Gartsch, Sprecher des Hauptzollamtes. Ziel der Durchsuchung am Mittwoch sei es gewesen, für das bereits schon zweite Verfahren gegen den Geschäftsführer der Firma beweiserhebliche Geschäftsunterlagen zu finden und zu sichern. „Wir haben diverse Akten beschlagnahmt und Daten auf Rechnern gesichert“, sagt Gartsch.

Die Norderstedter Firma steht bereits für die Jahre 2007 bis 2010 im Verdacht, in erheblichem Umfang gesetzliche Mindestlöhne nicht gezahlt und in der Folge Sozialversicherungsabgaben vorenthalten zu haben. Der insgesamt aus dem damaligen Verfahren in Rede stehende Schaden beläuft sich laut Gartsch auf etwa 1 Million Euro. Die Anklage im Strafverfahren wegen des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt stehe kurz bevor. „Für die Mindestlohnunterschreitungen wurde in einem gesonderten Bußgeldverfahren bereits ein Bußgeldbescheid in Höhe von 1,1 Millionen Euro erlassen“, sagt Gartsch.

Aus den laufenden Ermittlungen ergaben sich erneut massive Hinweise darauf, dass der Beschuldigte seit 2010 unvermindert und in der gewohnten Art weiter Straftaten begeht. Entsprechend habe die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Kiel erneut ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Lohndumping scheint bei der Firma System zu haben. Laut Thomas Gartsch sei es folgendermaßen organisiert: Nach den bisherigen Ermittlungen hat der Beschuldigte nicht die regelmäßig tatsächlich erbrachten Arbeitszeiten für Zimmereinigungen – insbesondere in namhaften Hotelketten – bezahlt, sondern nur einen durch ihn festgelegten Satz in Höhe von 1,30 Euro bis 1,70 Euro pro gereinigtem Zimmer. „Um den gesetzlichen Mindeststundenlohn zu erreichen, wäre eine Reinigung von fünf bis sechs Zimmern pro Stunde erforderlich gewesen, was nach übereinstimmender Aussage aller vernommenen und befragten Reinigungskräfte jedoch nicht zu schaffen war“, sagt Gartsch. Die Reinigungskräfte haben tatsächlich deutlich länger arbeiten müssen, um die vorgeschriebene Anzahl an Zimmern zu schaffen. Gartsch: „Den ihnen zustehenden Mindestlohn haben sie dadurch nie erhalten, die nicht eingehaltenen Mindestlöhne wurden in der Buchführung des Unternehmens verschleiert.“

Jörn Förster, Branchensekretär Gebäudereinigung bei der Industriegewerkschaft Bau in Hamburg, kennt diese Praxis nur zu gut. „Sie ist leider gängig in der Branche.“ In der Regel handle es sich bei den Mitarbeitern um prekär Beschäftigte, die unter großem sozialen Druck stehen und sich aus Angst um den Jobverlust nicht trauen, etwas gegen die schlechten Arbeitsbedingungen in ihrer Firma zu unternehmen.

Jörn Förster: „Gewerkschaftlich organisierte Mitarbeiter gibt es da kaum. Und die, die aus dem Job irgendwann aussteigen, wollen nur noch ihre Ruhe und haben kaum mehr die Kraft, gegen den schlechten Arbeitgeber vorzugehen. Und so kommen die schwarzen Schafe der Branche leider immer wieder davon.“