Der Umgang mit Facebook ist an den Schulen umstritten. Eindeutige Regelungen gibt es nicht

Norderstedt. Hendrik gefällt Steffis Foto vom vergangenen Party-Wochenende. Julia kommentiert: „Wow! Voll schön!“ Steffi gefällt Julias Kommentar. So oder so ähnlich kommunizieren Deutschlands Jugendliche miteinander bei Facebook, dem weltweit populärsten sozialen Netzwerk. Wenn Wolfgang Blankschein, 60, sich in sein Facebook-Konto einloggt, sieht er nicht nur die Neuigkeiten aus dem Leben seiner gleichaltrigen Facebook-Freunde, sondern auch die von Jannis, Jonas, Celvin und Emre. Wolfgang Blankschein ist ihr Lehrer – und Facebook-Freund. Diese Freundschaft ist umstritten. In Rheinland-Pfalz wurde jüngst jeder Facebook-Kontakt zwischen Schülern und Lehrern verboten. In Schleswig-Holstein hat es im November 2012 ein Rundschreiben an die Schulleiter gegeben. Darin werden die Lehrer aufgefordert, Facebook nicht für schulische Angelegenheiten zu benutzen. Privater Kontakt hingegen ist nicht ausdrücklich verboten.

Die vier Schüler des Coppernicus-Gymnasiums sehen das alles nicht so eng. Sie posten Neuigkeiten und Fotos von sich und kommentieren das Privatleben ihrer Freunde. Wolfgang Blankschein kennen sie schon seit der fünften Klasse. Als der Deutsch- und Philosophie-Lehrer die 17-Jährigen per Mausklick fragte, ob sie digitale Freunde werden wollen, antworteten sie sofort und ohne Zweifel. Fortan konnte ihr Lehrer stets sehen, was sie auf Facebook so treiben und ihre Beiträge kommentieren. Jannis, Jonas, Celvin und Emre finden das völlig in Ordnung. Auch das Foto von der wilden Partynacht im Keller ist Jonas nicht peinlich.

Zurzeit ist Wolfgang Blankschein nach eigenen Angaben mit etwa 20 bis 30 seiner aktuellen Schüler bei Facebook befreundet. Vor wenigen Jahren noch waren es bedeutend mehr. Damals habe er jede Freundschaftsanfrage von Schülern angenommen, sagt Blankschein – auch von Unterstufenschülern. Er nutzte Facebook zum privaten Gespräch mit den Schülern und als Ergänzung zum Unterricht. Lehrer Blankschein diskutierte online mit seinen Schülern über Philosophie und wurde von ihnen in sogenannte geschlossene Gruppen eingeladen, in denen die Jugendlichen sich austauschten. „Ich renne nicht hinter dem Privatleben meiner Schüler her, verfolge es aber bewusst“, sagt er. Einmal habe er mitbekommen, dass ein Mädchen daran dachte, sich umzubringen, und die ahnungslose Klassenlehrerin informiert.

Allerdings irritierte Wolfgang Blankschein andere Schüler auch mit seiner Art der Kommunikation im sozialen Netzwerk. Mehrere Mädchen aus der Klasse hätten aus Furcht vor schlechten Noten Angst gehabt, die Freundschaftsanfragen des Lehrers abzulehnen, berichten Jannis, Jonas, Celvin und Emre. „Irgendwann hat sich das Verhalten der Kinder auf Facebook total geändert“, sagt Wolfgang Blankschein. Fast alles aus dem Privatleben sei nun öffentlich gemacht worden. In den Foren, in denen es um schulische Dinge gehen sollte, seien auf einmal Kommentare über Fußball aufgetaucht. „Einige Mädchen haben mir auch pubertäre Nachrichten geschrieben.“ Nach Protesten aus der Elternschaft beendete Blankschein die Freundschaften zu den Schülern. Nur mit Jugendlichen wie Jannis, Jonas, Celvin und Emre pflegt er privaten Kontakt. Bei ihnen ist er sich sicher, dass sie nichts dagegen haben.

Da Bildung Ländersache ist, darf jedes Bundesland seine eigenen Regeln für den Umgang von Lehrern und Schülern in sozialen Netzwerken aufstellen. Das schleswig-holsteinische Bildungsministerium will mit seiner Regelung einerseits verhindern, dass Kinder, die Facebook nicht benutzen wollen, Nachteile erleiden. Andererseits sei das Geschäftsmodell von Facebook, Daten der Nutzer zu sammeln und anschließend damit Geld zu verdienen, nicht mit dem Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schulen vereinbar. Auch Schleswig-Holsteins oberster Datenschützer Thilo Weichert lehnt den Kontakt von Schülern und Lehrern ab: „Das hat immer ein Geschmäckle. Abgesehen vom Datenschutz gibt es noch 1000 weitere gute Gründe, Facebook als Lehrer nicht zu benutzen.“

Von Freundschaften zwischen Lehrern und Schülern rät das Ministerium ab – auch wenn der Schüler es war, der die Anfrage gestellt hat. Aus einer solche Freundschaft könne schnell ein Gefühl der Ungleichbehandlung entstehen, sagt der Sprecher des Bildungsministeriums, Thomas Schunck. Aufgrund von Verstößen gegen diese Regeln gebe es bereits einige Disziplinarvorgänge gegen einzelne Lehrer.

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