Orkantief „Christian“ hielt Einsatzkräfte bis Dienstagmorgen in Atem

Kreis Segeberg. Die Helfer haben von Montagnachmittag bis spät in die Nacht gearbeitet. Hunderte Einsatzkräfte von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und Polizei haben umgestürzte Bäume beseitigt, Straßen gesperrt und Gebäude gesichert. Das Ausmaß der Schäden, die das Orkantief „Christian“ im Kreis Segeberg angerichtet hat, stand erst am Dienstag fest. Am Morgen zogen die Organisationen die Bilanz des schwersten Unwetters der vergangenen Jahre.

Den schlimmsten Unfall meldete die Feuerwehr Kaltenkirchen. Am Flottkamp erlitt ein 21-jähriger Mann schwere Verletzungen, als ein Baum auf ihn stürzte. Um den Verletzten zu retten, hob die Feuerwehr den Stamm mit schweren Rettungsgeräten und zerlegte das Holz, um die Last auf dem Körper so schnell wie möglich zu verringern. Gleichzeitig versorgte ein Notarztteam den Schwerverletzten. Er wurde nach seiner Rettung in ein Krankenhaus gefahren. An der Waldstraße in Norderstedt und auf der Dorfstraße in Kisdorf kamen drei Autoinsassen mit leichten Verletzungen davon, als Bäume auf ihre Fahrzeuge stürzten.

Die Rettungsleitstelle Holstein in Norderstedt, in der alle 112-Notrufe aus dem Kreis Segeberg auflaufen, zählte 386 Sturm-Einsätze. „Überwiegend galt es, umgestürzte Bäume von den Straßen zu räumen sowie abgedeckte Dächer und herumfliegende Gegenstände zu sichern“, sagte ein Feuerwehrsprecher. Das Personal wurde auf neun Disponenten erhöht, die pausenlos Notrufe entgegennahmen und Einsatzkräfte alarmierten.

Die Feuerwehren in Norderstedt, Wahlstedt, Bad Bramstedt, Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen zogen sämtliche Kräfte an den Wachen zusammen, um möglichst schnell die Fahrzeuge besetzen zu können. Die Wehren aus Bad Segeberg und Kaltenkirchen forderten das Technische Hilfswerk (THW) zur Unterstützung an. Das Wahlstedter THW war am eigenen Standort beschäftigt, das Dach der Unterkunftsräume hatte sich gelöst. Allein in Norderstedt waren 150 Feuerwehrleute im Einsatz. Ein Löschzug hielt sich bereit, um Einsätze zu übernehmen, die nicht mit dem Sturm zusammenhingen.

Insgesamt waren 80 der 116 Wehren im Kreisfeuerwehrverband Segeberg im Einsatz. „Viele Einsatzkräfte begeben sich in große Gefahr, da während laufender Einsätze jederzeit weitere Bäume oder Gegenstände umherfliegen können“, sagte Kreiswehrführer Ralf Gloyer. „Glücklicherweise kam keiner der Kameraden zu Schaden.“

Hier die Bilanz aus den Städten und Gemeinden:

Norderstedt: Erst am Dienstag gegen 6Uhr waren die Einsätze beendet. Insgesamt 86-mal wurde die Feuerwehr gerufen. In der Regel mussten die Helfer umgestürzte Bäume beseitigen. „Viele Straßen, Bahngleise und Wanderwege waren blockiert oder wurden aus Sicherheitsgründen gesperrt“, sagt Gemeindewehrfüher Niels Ole Jaap. Am Nordportbogen stürzte ein Lastwagen um und wehte zwei Wohnwagen auf die Fahrbahn. Die Norderstedter Feuerwehr unterstützte außerdem die Einsätzekräfte in Quickborn und Hamburg.

Kaltenkirchen: Die Feuerwehr Kaltenkirchen arbeitete 42 Einsätze ab. Am Kretelmoor deckte der Sturm das Dach eines Mehrfamilienhauses ab, ein Baugerüst musste mit einem Baufahrzeug einer Recycling-Firma gestützt werden. Auf einem Gebäude an der Gottlieb-Daimler-Straße hatten sich 50 Quadratmeter des Daches gelöst.

Henstedt-Ulzburg: Sämtliche Fahrzeuge der drei Ortswehren Ulzburg, Henstedt und Götzberg waren unterwegs. 70 Feuerwehrleute waren im Einsatz. Auf der Wilstedter Straße in Höhe des Kringelwegs gelang es einem Linienbusfahrer gerade noch rechzeitig zu stoppen, als eine große Eiche direkt vor seinem Fahrzeug umstürzte. „Verletzt wurde dabei niemand“, sagte ein Feuerwehrsprecher. „Nur der Fahrer erlitt einen leichten Schock.“

Amt Itzstedt: Alle acht Wehren rückten aus. In Tönnigstedt bei Sülfeld wurde ein Dach abgedeckt.

Bad Bramstedt: Polizei und Feuerwehr sperrten die Straße Am Bahnhof, weil der Wind das Dach eines Mehrfamilienhauses teilweise abdeckte. „Die Bewohner wurden evakuiert“, sagte eine Polizeisprecherin. Die Bewohner wurden in der Grundschule versorgt.

Bad Segeberg: Herabfallende Ziegel verletzten an der Kurhausstraße einen Passanten. Auf der Geschwister-Scholl-Straße demolierte ein umherfliegendes Trampolin ein geparktes Auto. Auf der Rennkoppel an der Eutiner Straße flog ein Zirkuszelt davon. Daraufhin rannten zwei Kamele ins Freie, die Zirkusmitarbeiter konnten die Tiere einfangen. Außerdem kam es zu zahlreichen Verkehrsunfällen.

Wahlstedt: Ein aufgewirbeltes Werbeschild traf eine schwangere Frau am Kopf.

Negernbötel: Auf der Bundesstraße 205 stürzte ein Lastwagen nach einer Windböe um.

AKN und U-Bahn hatten den Verkehr für mehrere Stunden wegen umgefallener Bäume auf den Gleisen eingestellt. Bei der AKN fielen 70 Zugverbindungen aus. Kurz zuvor war in Hamburg-Schnelsen ein Triebwagen gegen einen Baum geprallt, es blieb bei Blechschäden. Auch bei der Nordbahn kam es zu erheblichen Behinderungen und Ausfällen. Wegen der extremen Wetterlage sei es nicht möglich gewesen, einen Ersatzverkehr mit Bussen einzurichten, sagte AKN-Sprecherin Christiane Lage. „Das war eine Ausnahmesituation.“ Sie empfiehlt Fahrgästen, die nicht mit der Bahn fahren konnten, Quittungen für Taxifahrten oder Hotelübernachtungen beim Hamburger Verkehrsverbund einzureichen.

Als Konsequenz aus der Extremwetterlage will die AKN prüfen, ob sie künftig in einer ähnlichen Situation ihre Fahrgäste auf der Homepage über Verspätungen und Ausfälle aktuell informiert. Auf den Internetseiten der AKN und der Hochbahn suchten Fahrgäste vergebens nach Informationen. Die Seite des Hamburger Verkehrsverbunds brach wegen des großen Ansturms der ratsuchenden Fahrgäste zusammen.