Der U-Bahnverkehr von Norderstedt nach Hamburg wurde zeitweise eingestellt, Dutzende Bäume stürzten um, orkanartige Böen demolierten Dächer

Kreis Segeberg. Orkantief Christian hat im Kreis Segeberg zugeschlagen. Dutzende Bäume stürzten um, orkanartige Böen demolierten Dächer, der Bahnverkehr kam weitgehend um Erliegen. In Kisdorf wurde eine Autofahrer verletzt, als ein Baum während der Fahrt auf ihre Fahrzeug stürzte. „Wir haben reichlich zu tun“, sagte Polizeisprecherin Sandra Mohr. Die Polizei werde zu etlichen Einsätzen gerufen.

Als die zunehmenden Windstärken am Nachmittag immer größere Schäden anrichteten, waren nahezu alle Feuerwehren im Kreis Segeberg im Einsatz. In Norderstedt waren 130 Feuerwehrleute unterwegs, um Bäume zu beseitigen. Die Einsatzleitung besetzte durchgehend alle Wachen der vier Ortswehren Harksheide, Friedrichsgabe, Glashütte und Garstedt. Bis zum späten Nachmittag zählten die Einsatzkräfte 70 Gefahrenstellen. Gemeindewehrführer Niels-Ole Jaap sagte: „Die Kameraden arbeiten die Einsätze nacheinander ab.“

In Rettungsleitstelle Norderstedt, in der sämtliche 112-Notrufe aus dem Kreis Segeberg auflaufen, herrschte Hochbetrieb. Die Zahl der Disponenten wurde aufgestockt. Gegen 14.30 Uhr wurden Feuerwehr und Rettungswagen zur Dorfstraße, Ecke Lehmkuhlen nach Kisdorf geschickt. Der Sturm brachte eine Kastanie zu Fall, die auf einen fahrenden VW Polo stürzte. Die Rettungsmannschaften versorgten die Frau und fuhren sie in ein Krankenhaus. Nach ersten Berichten überstand sie das Unglück leicht verletzt.

Eine endgültige Bilanz der Feuerwehr lag bis Redaktionsschluss noch nicht vor. „Alle sind unterwegs“, sagte der Sprecher des Kreisfeuerwehrverbandes, Dennis Oldenburg. „Wir haben gut zu tun.“

Die Polizei teilte am Nachmittag mit, bei Einsätzen müssten die Anrufer mit Verzögerungen von mehreren Stunden rechnen. „In allen Leitstellenbereichen bearbeitet die Polizei vorrangig Einsätze, bei den Menschen verletzt wurden oder besonders hohe Sachschäden eingetreten sind“, teilte die Landespolizei mit. Alle übrigen Einsätze werden später bearbeitet.

Der U-Bahnverkehr von Norderstedt nach Hamburg wurde zeitweise eingestellt, nachdem mehrere Bäume auf die Gleise gefallen waren. Der Hamburger Hochbahn waren die Ausfälle auf ihrer Homepage kein Wort wert, die Seite des Hamburger Verkehrsverbundes war nicht zu erreichen. Die Fahrgäste drängten sich auf den Bahnsteigen in Norderstedt-Mitte, sahen immer wieder auf die Info-Tafeln. Dort hieß es allerdings nur: Verspätet. Aus dem Lautsprecher ergänzte eine Männerstimme: Zwischen Norderstedt-Mitte und Kellinghusenstraße verkehren die Züge nur zeitweise.

„Ich komme vom Jungfernstieg und muss noch nach Kaltenkirchen“, sagte Britta Gerberich, die an der Info-Säule nach Klarheit suchte. Eine zweistündige Odyssee hatte sie da schon hinter sich, ihr Kind wartete in der Kita. Bis Ohlsdorf fuhr noch die U-Bahn, dann mit zwei Buslinien bis Ochsenzoll, mit dem Taxi nach Norderstedt-Mitte, dem vorläufigen Endpunkt einer Heimfahrt, für die junge Frau sonst insgesamt eine Stunde brauchte. Nicole Finke mischte sich unter die Ratlosen und versuchte aufzuklären, so gut es ging. Sie sollte um 16 Uhr eigentlich schon längst in der Fahrerkabine der U1 sitzen und den Zug nach Großhansdorf steuern. „Oben am ZOB sollen Ersatzbusse fahren und Taxis, die im Auftrag des HVV die Fahrgäste kostenlos zu den U-Bahn-Haltestellen bringen“, sagte sie.

Die Fahrgäste gingen nach oben. Doch weder Busse noch Taxis waren zu sehen, stattdessen nur eine wartende Menge von Schulkindern, Handwerkern und Berufstätigen, die von Minute zu Minute wuchs. „Natürlich kann so etwas passieren. Aber der HVV hätte doch einen Plan B haben müssen“, sagte Silvia Grzemski, die von Schule in Pinneberg nach Schwarzenbek am anderen Ende der Metropole wollte. „Nach den Wettervorhersagen war doch klar, dass es Sturm gibt“, sagte auch Marion Krüger, die auf dem Weg nach Mölln war. Joanna Spiegel schaffte es nicht pünktlich zur Schicht in einem Hamburger Hotel.

Auch die AKN kämpfte mit den Folgen des Wetters. Im Norderstedter Ortsteil Friedrichsgabe und in Schnelsen blockierten Bäume die Schiene. Die Fahrdienstleitung ordnete zunächst eine Höchstgeschwindigkeit von Tempo 40 für das gesamte Streckennetz an, gegen 16 Uhr wurde der Zugverkehr auf allen Linien aus Sicherheitsgründen eingestellt.

Der Sturm führte in Norderstedt außerdem zu einem kurzen Stromausfall. Gegen 14 Uhr sackte in mehreren Stadtteilen für etwa ein Sekunde die Spannung ab. Computer stürzten ab, Lampen gingen aus. Stadtwerke-Sprecher bezeichnete den Zwischenfall als „Netzabnicker“. Die kurze Phase mit verminderter Spannung sei aus dem Versorgungsnetz in die Umspannwerke Friedrichsgabe und Glashütte eingespeist worden.

Die Fachleute der Norderstedter Stadtwerke vermuten, dass der Sturm für den Schaden verantwortlich ist. Möglicherweise sei außerhalb der Stadt ein Baum auf eine Überlandleitung gefallen.

Bilder vom Sturm unter abendblatt.de/norderstedt.