Ehrenamtliche Vorleser machen in der Stadtbücherei-Reihe „Texte und Töne“ Literatur in der Gemeinschaft erlebbar

Norderstedt. Der Mut zur Pause. Die richtige Atmung. Präsenz und Auftritt. Und natürlich laut und deutlich lesen, nicht in den Bart nuscheln oder die Hälfte der Sätze verschlucken. Fragt man den Rentner Werner Meier, dann sind dies die Attribute, die einen guten Vorleser ausmachen. Meier ist ein Mann des vorgelesenen Wortes. Bei der erfolgreichen Reihe „Texte und Töne“ in der Stadtteilbücherei Garstedt ist er einer der acht engagierten Freiwilligen, die die Literatur vor Publikum zum Klingen bringen.

Die Reihe, die regelmäßig zwischen 40 und 70 Zuhörer in die Bücherei lockt, geht jetzt in ihre fünfte Saison. Und es gibt im Umfeld nicht wenige Stammbesucher, die es kaum erwarten können, dass es wieder los geht. Am Sonnabend, 26. Oktober, ist es von 16 Uhr an soweit. Glossen und Kolumnen sind das Thema. Werner Meier etwa ließt ein Streiflicht aus der „Süddeutschen Zeitung“, eine der täglichen Glossen der Münchener auf Seite 1. Dazu gibt es von Leserin Ingrid Meyer Kolumnen des „Zeit“-Autors Harald Martenstein, Renate Trachsel liest Texte von „Spiegel“-Autor Bastian Sick, und Ursula Freitag liest die Kolumne „Von Wegschmeißern und Behaltern“ des Autors Axel Hacke, der für das Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ schreibt.

Für die Töne der ersten Veranstaltung ist zum dritten Mal das Segeberger Ensemble „Stillos?!“ in der Bücherei verantwortlich. Mit Klezmer, Tango, Blues und Pop lockert das Ensemble die Reihe der Texte auf.

„Ursprünglich haben wir Texte und Töne als Teil unserer Arbeit im Stadtteil konzipiert, ein Angebot von und für Senioren“, sagt die Leiterin der Stadtteilbücherei Garstedt, Karin Sträter. Es seien vor allem die älteren Bürger, die zu den Lesungen strömen – aber nicht nur. „Für Senioren ist es sehr wichtig, am Wochenende einen Treffpunkt zu haben – eine Möglichkeit, um am Gesellschaftsleben teilzunehmen.“ Literatur in der Gemeinschaft zu erleben, nicht alleine zu Hause, etwa mit Hörbüchern, das sei eben etwas völlig anderes.

Die ehrenamtlichen Leser haben bei der Auswahl der Texte völlige Freiheit. Gemeinsam mit dem Team der Stadtbücherei werden die Themen für die fünf Veranstaltungen konzipiert, die bis Ende März 2014 angeboten werden. Nach den Kolumnen und Glossen sind die Märchen der Welt dran (30. November), es folgen Meistererzählungen (25. Januar 2014) und Briefwechsel (22. Februar) und zuletzt das Thema Familie (29. März). „Wir stellen den Vorlesern und Vorleserinnen lediglich Bücherkisten zu den Themen zusammen. Was sie sich für die Veranstaltungen aussuchen, besprechen sie dann unter sich“, sagt Sträter.

Die Rentnerin Ursula Freitag sagt, beim Vorlesen bekomme sie unheimlich viel zurück. Nicht nur den Applaus der Zuhörer. „Ich werde mit Literatur konfrontiert, an die ich mich sonst nie herangetraut hätte oder die ich bislang noch gar nicht kannte“, sagt Freitag. In ihrem Freundes- und Bekanntenkreis sei es bekannt, dass sie immer für Literatur-Tipps offen ist. „Die schleppen mir dann Bücher an, die zu den Themen passen. Das ist hochspannend.“

Mit hohen Stapeln von Büchern zu Hause zu sitzen und zu schmökern, das hat es der Vorleserin Siegrid Krüger angetan. „Da sitze ich dann, lese, und daneben läuft die Eieruhr. Denn in der Veranstaltung muss ich mich ja auf 20 Minuten beschränken“, sagt die Seniorin. Einfach sei es nicht, die richtigen Textstellen aus dem Überangebot herauszusuchen. „Manchmal denkst du: Die Stelle ist es, die reißt die Leute vom Hocker. Aber dann liest du sie wieder und wieder und denkst: Och – ist doch langweilig“, sagt Ursula Freitag.

Vor jedem Termin in der Stadtteilbücherei gibt es dann die obligatorische Generalprobe – damit die Textstellen auch sitzen und Hänger möglichst ausgeschlossen werden können. „Vor Publikum zu lesen, ist doch sehr aufregend. Ich habe mir meinen Mut dazu bei meiner Arbeit für die Hörzeitung geholt. Auch wenn ich dort nur Aufnahmen für Blinde und Sehbehinderte im stillen Kämmerlein aufnehme – auf gute Aussprache kommt es da auch an“, sagt Siegrid Krüger.

Der Eintritt zur Lesung in der Bücherei (Europaallee 36) kostet 5 Euro. Eine Induktionsanlage vom „HörLaden“ sorgt dafür, dass auch schwerhörige Menschen alles gut verstehen.