Auch ein Trainingsplatz von Borussia Dortmund ist betroffen. Henstedt-Ulzburg prüft Klage gegen Hersteller

Henstedt-Ulzburg/Norderstedt. Ein Sportplatz wird gesperrt. Das ist keine Nachricht, die Sportler aus der Bahn wirft. In Henstedt-Ulzburg geht es aber um mehr als um eine unbefristete Sperrung: Der Kunstrasenplatz an der Theodor-Storm-Straße im Ortsteil Rhen ist einer von etwa 1000 Sportplätzen in Deutschland, die von einem mysteriösen Fehler der Granulatverfüllung betroffen sind. Betroffen sind auch die Fußballer von Borussia Dortmund: Ein Trainingsplatz musste ebenfalls gesperrt werden.

Die Kunstrasenexperten in Deutschland stehen vor einem Rätsel: Immer mehr Plätze werden unbespielbar, die Halme richten sich nicht mehr auf, die Verletzungsgefahr für die Sportler ist groß. 600.000 Euro hatte die Gemeinde Henstedt-Ulzburg vor sechs Jahren ausgegeben, um den Sportzplatz neben der Grundschule an der Theodor-Storm-Straße mit einem Kunstrasen auszustatten. Damals war der Belag und das dazugehörende Granulat das Nonplusultra im Sportplatzbau: Das Granulat war zertifiziert und galt bei Experten als einwandfrei und absolut unbedenklich.

4500 Euro gab die Gemeinde zusätzlich aus, um den Sportplatz während der fünfjährigen Zeit der Gewährleistungspflicht von der Herstellerfirma, ein bundesweit anerkannter Sportplatzbauer aus Tornesch im Kreis Pinneberg, pflegen zu lassen. Nach Ablauf der Gewährleistungspflicht ging der Pflegeauftrag auf den gemeindlichen Bauhof über, der eine Fremdfirma mit der Pflege beauftragte. Denn dafür sind Spezialmaschinen nötig. Was ist passiert? Die Weichmacher der im Kunstrasen vorhandenen Granulatverfüllung vertragen sich nicht mit den Weichmachern des Kunstrasenflors. Vermutlich hat Sonneneinwirkung für dies Probleme gesorgt. Die Folge sind Verklumpungen. Wie eine dicke Masse pappt es an den Fußballschuhen und macht einen vernünftigen Spielbetrieb unmöglich. In ganz Deutschland ist niemand davon ausgegangen, dass so etwas jemals passieren könnte. Denn Kunstrasenplätze unterliegen einem strengen Qualitätsprüfungsprogramm, das von der Internationalen Föderation des Verbandsfußballs (FIFA) vorgegeben wird. Es wird nur Kunstrasen von höchster Qualität verwendet. Dazu gehört übrigens auch die Anweisung, dass regelmäßiges Bürsten des Platzes stets in unterschiedlichen Richtungen erfolgen muss, damit die künstlichen Halme aufgerichtet bleiben.

Granulate, die in den Kunstrasen eingearbeitet werden, sind in der Regel zertifiziert. „Der Kunstrasenplatz, der vor sechs Jahren an der Theodor-Storm-Straße eingerichtet wurde, war damals technischer Stand der Dinge“, sagte Petra Walz, Landschaftsarchitektin im Henstedt-Ulzburger Rathaus. Auch in vielen anderen Orten in Deutschland wurden Fußballplätze nach diesem Muster angelegt. Drei deutsche Firmen haben sich darauf spezialisiert, ein Unternehmen stellt das Granulat her. Weil das zertifizierte Granulat überall in Deutschland nach fünf bis sechs Jahren Probleme bereitet, werden alle anderen Kunstrasenplätze, auf denen andere Granulate eingearbeitet wurden, mit Interesse und Bangen beobachtet: Auch diese Granulate galten bei der Verarbeitung als unbedenklich und waren zertifiziert.

In Henstedt-Ulzburg wird das Granulat herausgekämmt. Bevor es aber dazu kommt, lässt die Gemeinde durch einen Rechtsanwalt prüfen, ob es eine Produkthaftung auch nach Beendigung der Gewährleistung geben kann. Der Sportplatz bleibt wegen der Beweissicherung geschlossen. Das kann dauern: In der niedersächsischen Stadt Georgsmarienhütte ist ein Kunstrasenplatz bereits seit einem Jahr gesperrt, weil es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen gekommen ist. Vor einem solchen Szenario graut den Verantwortlichen des SV Henstedt-Ulzburg, die den Platz an der Theodor-Storm-Straße zusammen mit der Grundschule nutzen.

Der Verein hat dort zwölf Trainingstermine in der Woche, außerdem ist der Platz als Ausweichlösung wichtig, wenn in den Wintermonaten andere Plätze gesperrt werden müssen. Oder weil andere Plätze wegen langen Regens unbespielbar sind. Zurzeit kann die Sperrung des Platzes noch kompensiert werden. „Wir kommen zurecht“, sagt Vereinsvorsitzende Nadine Lange. „Ernsthafte Probleme kann es im Winter geben.“ Die Kunstrasenplätze von Eintracht Norderstedt wurden von der selben Firma gebaut wie die nun nicht mehr nutzbare Sportstätte in Henstedt-Ulzburg. Als Oliver Schaper, festangestellter Greenkeeper des Garstedter Fußballclubs, von den Problemen in der Nachbargemeinde hört, ist er allerdings überrascht. „So etwas kennen wir nicht“, sagt er. Sollten die Verklumpungen tatsächlich ein grundsätzlicher Mangel sein, so hat der Verein offenbar bisher Glück gehabt. Schaper vermutet, dass in Henstedt-Ulzburg „Pflegefehler“ begangen wurden.

Der vordere große Kunstrasen an der Ochsenzoller Straße wurde 2008 angelegt und wird täglich für Training und Ligaspiele genutzt. Als Granulat dienen hier zershredderte Autoreifen. Diese Partikel gefrieren, anders als Sand, nicht bei Minustemperaturen, färben aber teilweise auf Schuhe und Bälle ab.

Eintracht erhält für den Unterhalt der Anlage jährlich etwas mehr als 100.000 Euro von der Stadt, die dem Verein das Gelände kostenlos verpachtet hat. Die Fußballer nutzten seit Bau des jüngsten Kunstrasenplatzes einen fünf Jahre währenden Wartungsvertrag mit der Herstellerfirma Weitzel aus Tornesch. Der Club wird nun ein eigenes Pflegegerät für 15.000 Euro erwerben und ist somit ab 2014 allein verantwortlich für den Zustand des Rasens.

Zweimal monatlich muss ein Kunstrasen intensiv gepflegt werden. Dann verteilt Oliver Schaper das Granulat mit einer Bürste, füllt notfalls neue Körner nach und entfernt sämtliches organisches Material wie Blätter und Pollen. Der Arbeitsaufwand beträgt insgesamt rund 15 Stunden. Hinzu kommen Sondereinsätze wie etwa bei Schnee und Eis.