Wie Franz Thönnes (SPD) den Wahlabend erlebte: Wieder mal im Bundestag, wieder mal chancenlos gegen den CDU-Kandidaten

Bad Segeberg. Wo ist das Murmeltier, das grüßt? Franz Thönnes, 59, kommt mit seiner Frau die Stufen zum Sitzungssaal des Kreishauses empor gestiegen. Im TV in einer Ecke des Foyers jubeln CDU-Anhänger in Berlin. Der CDU-Landtagsabgeordnete Axel Bernstein steht vor der Mattscheibe und beißt gut gelaunt in ein Wurstbrötchen. Thönnes grüßt in die Runde, umarmt die Genossin und Landrätin Jutta Hartwieg. Dann kommt CDU-Kreisgeschäftsführer Uwe Voss und drückt im fest die Hand. „Na, strahlt der Gero schon?“, fragt Thönnes. „Abwarten. Nicht bevor Norderstedt feststeht“, sagt Voss. Doch Thönnes ist erfahren genug, um zu wissen, dass es auch heute Abend nicht mehr auf das Votum der fünftgrößten Stadt des Landes Schleswig-Holstein ankommen wird. Wieder mal, wie 2005 und 2009, geht das direkte Ticket in den Bundestag an Gero Storjohann, seinen Rivalen von der CDU.

Während sich der Abend für Storjohann zum Selbstgänger entwickelt, ist Thönnes durchaus beunruhigt. Gewinnt ein Genosse im Land zu viel das Direktmandat nach Berlin, könnte es auf Listenplatz fünf der SPD knapp werden. Hinter Landrätin Jutta Hartwieg, die es sich im Sitzungssaal vor der Großleinwand mit den aktuellen Kreis-Ergebnissen bei Würstchen, Kartoffelsalat und Mineralwasser gemütlich macht, sitzen die Jusos um den Landesvorsitzenden und Thönnes-Bürgerbüroleiter Alexander Wagner. Auf Laptop und Smartphone checken sie unablässig Ergebnisse, geben Wasserstandsmeldungen an Thönnes. Schnell kristallisiert sich heraus, dass es wohl nicht brenzlig werden wird an diesem Abend.

Mit Blick auf die Ergebnislisten aus den Orten im Kreis Segeberg kommt Thönnes aber aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus. „Das sind ja bayerische Ergebnisse für Storjohann.“ Und wieder bewahrheitet sich, was der Genosse nicht erst seit gestern ahnt. „Das ist eben ein äußerst strukturkonservativer Wahlkreis.“ Um nicht zu sagen: Die politischen Verhältnisse im Kreis Segeberg scheinen zementiert. „Ich geh jetzt, Franz!“ Gero Storjohann sagt gegen 19.30 Uhr Tschüs im Kreishaus. Da ist die absolute Mehrheit für Merkel greifbar. „Also, du weißt, das wird dieses Mal nichts mit dem Staatssekretär. Und vielleicht machen wir es ja auch ganz ohne euch.“ Storjohann lacht. Thönnes sagt „Ja, Ja.“ und wünscht dem Konkurrenten einen schönen Abend. Ein routiniert-freundliches Verhältnis scheinen die beiden zu haben. Mehr aber nicht.

Weiter tickern die Ergebnisse über die Bildschirme. Thönnes reißt ironisch die Arme zur Siegerpose empor, wenn er in irgend einem Kaff in einem Wahllokal Storjohann geschlagen hat oder in Damsdorf ein Plus von 8,92 Prozent erreicht. Er regt sich in anderen Orten über das untaktische Verhalten des Wählers auf, die ihre Erststimmen aussichtslosen grünen oder linken Direktkandidaten geben – statt ihm.

Zum Abschluss zieht sich Thönnes mit seinen Genossen auf das Vereinslokal des Tennis Clubs in Bad Segeberg zurück. „Unschlagbar“ heißt der Laden – ausgerechnet. „Die Merkel hat es mit ihrem Wohlfühlwahlkampf geschafft. Die Leute denken, alles ist gut. Und das ist es, was sie gesucht haben. Einfache Antworten.“ Thönnes resümiert nicht verbittert, eher mit Respekt vor der Wahltaktik der CDU. Im „Unschlagbar“ kommt schließlich eine Wählerin auf ihn zu. „Ich habe Sie gewählt und wollte mal wissen, ob das jetzt umsonst war oder ob Sie drin sind im Bundestag?“ Das, sagt Thönnes, könne er jetzt noch nicht beantworten.