Janko S., 41, gab sich in Norderstedt als Pfleger aus und beraubte ein Rentnerehepaar im eigenen Haus

Norderstedt. Über Helma K., 94, und ihren gleichaltrigen, schwer kranken und pflegebedürftigen Mann wird an diesem Prozesstag nur selten gesprochen. Im Plädoyer der Staatsanwältin tauchen die Opfer des Überfalls kurz auf, es wird davon berichtet, dass sie nun in Angst leben würden, weil sie im eigenen Haus überfallen wurden. Die Richterin sieht in ihrer Urteilsbegründung die besondere Schwere der Tat des Angeklagten und fragt „Diese sehr alten Menschen in ihrem Haus zu berauben – wie verwerflich ist das denn?“ Der Verteidiger spricht von einer „Sauerei“, die sein Mandant mit dem epischen Vorstrafenregister da angerichtet habe, er will ihn aber trotzdem mit Bewährung in die Freiheit schicken.

Helma K. und ihr Mann sind zwei von 3025 Opfern in Deutschland, die 2012 in ihrer Wohnung überfallen und beraubt worden sind. Von einer Zunahme der Fälle um 3,9 Prozent spricht die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für 2012. Viel schwerer als der materielle wiegt der psychologische Schaden bei den Opfern.

Der angeklagte Räuber Janko S., 41, hatte alles zugegeben. So mussten seine betagten Opfer wenigstens nicht mehr vor Gericht erscheinen, um die ganze Geschichte zu erzählen und dabei noch Mal durchleben zu müssen. Alles trug sich am 31. August 2012 zu. Es ist gegen 15.30 Uhr, als sich Janko S. an der Marommer Straße herumtreibt. Der Mann war gerade von seiner Familie verstoßen worden, wie er vor Gericht aussagt. „Weil ich öffentlich gemacht hatte, dass die alle kriminell sind“, sagt er aus. Eine Sinti-Familie, seit Kindesbeinen ist Janko S. mit der Sippe auf Achse. Die Eltern hätten sich an ihm und seinen Brüdern „vergangen“, wie er sagt, zum „Klauen“ hätten sie ihre Jungs geschickt. Janko S. scheint das als Lebensprinzip verinnerlicht zu haben. Denn als Erwachsener macht er einfach weiter damit.

In Norderstedt will er Scheren und Messer schleifen und seine Dienste an der Haustür anbieten, wie er sagt. Dass dies nur ein Vorwand ist, zeigt sich, als er zufällig bei Helma K. und ihrem Mann klingelt und ein Missverständnis für einen Raubüberfall nutzt.

Janko S. nuschelt merkwürdig und schnell. Im Gerichtssaal muss die Richterin oft nachfragen, weil er kaum zu verstehen ist. So ähnlich muss er auch an jenem 31. August Helma K. seine Dienste angeboten haben, als die 94-Jährige die Haustür öffnet. „Sind Sie der neue Pfleger vom Elim, der Mario?“, fragt ihn Helma K. Janko S. wittert seine Chance und antwortet: „Ja, Ja.“ Flugs ist er in der Wohnung.

Der Mann von Helma K. liegt im Schlafzimmer im Bett. Er ist schwer krank und pflegebedürftig. Seine Frau weist Janko S. den Weg. Der lügt: „Ich kümmer mich dann mal um ihren Mann.“ Während Helma K. in der Küche wartet, schlüpft Jank S. ins Schlafzimmer. Während der alte Herr schlafend im Bett liegt, durchwühlt Janko S. den Schlafzimmerschrank. Er findet zwischen Kleidern und Wäsche 400 Euro in einer Geldkassette, dazu Goldschmuck von Helma K. Janko S. steckt alles ein. Dann verlässt er das Schlafzimmer. In der Küche sieht er Helma K. und deren Portemonnaie auf dem Küchentisch. Während die alte Dame dort sitzt, gelingt er dem Räuber, weitere 50 Euro aus der Geldbörse zu ziehen. „Ich gehe jetzt und komme später wieder“, sagt Janko S. Nach zehn Minuten verlässt er die Wohnung. Stunden später hat er den Schmuck bereits für 800 Euro versetzt.

„Ich brauchte das Geld. Fürs Hotel, für Klamotten, fürs Überleben halt“, antwortet Janko S. auf die Fragen der Richterin. Ob er ein schlechtes Gewissen habe wegen der Tat? „Ich dachte, Mann, jetzt kommst du gerade aus dem Knast und machst so was!“ Janko S. tat sich also selbst leid, während er wehrlose Rentner bestahl.

Als die Richterin die fingerdicke Strafakte des 41-Jährigen aufschlug, wollte sie sich mit Blick auf die Prozessdauer einen tieferen Einblick in die kriminelle Karriere des Angeklagten eigentlich sparen. Doch dann liest sie doch so einiges vor. Insgesamt über zehn Jahre war Janko S. wegen Raubes, Hehlerei und Betrugs schon im Knast, dazu Dutzende Geldstrafen wegen Beleidigung, Urkundenfälschung, Schwarzfahrens und Fahrens ohne Führerschein. Und – in einer Phase der Heroinabhängigkeit – Haftstrafen wegen Drogendelikten. Aktuell sitzt er in der Justizvollzugsanstalt Hünfeld bei Fulda eine sechsmonatige Haftstrafe wegen Diebstahls ab.

Die Staatsanwältin will Janko S. für weitere 18 Monate hinter Gitter schicken. Der Verteidiger will dem Gericht weismachen, Janko S. habe die letzte seiner unzähligen Haftstrafen so zugesetzt, dass er jetzt ein besserer Mensch werde wolle und Bewährung verdiene. Die Richterin glaubt das keine Sekunde. Zwar senkt sie das Strafmaß in ihrem Urteil für den besonders schweren Raub auf ein Jahr. „Bewährung kann es für Sie nicht mehr geben. Denn stärker kann man mit seinem Handeln eigentlich nicht zeigen, dass man die Regeln dieser Gesellschaft auch nach so vielen Strafen immer noch nicht verstanden hat.“ Schön wäre es, sagt die Richterin, wenn Janko S. nicht sich selbst Leid tun würde, sondern Helma K und ihr Mann.