47-Jähriger soll vor 20 Jahren seine Tochter und seine Söhne missbraucht haben

Kreis Segeberg/Lübeck. Die Opfer werden niemals vergessen, was ihnen angetan worden ist. Mitunter holt die Vergangenheit aber auch die Täter ein. Vor dem Landgericht Lübeck muss sich seit dem vergangenen Donnerstag ein 47 Jahre alter Mann verantworten, dem vorgeworfen wird, seine drei leiblichen Kinder und eine Tochter einer späteren Lebensgefährtin sexuell missbraucht zu haben. Die sieben Ereignisse, die nun Gegenstand des Prozesses sind, liegen zum Teil schon mehr als 20 Jahre zurück.

Das sei nicht ungewöhnlich, heißt es vonseiten der Staatsanwaltschaft. Es komme oft vor, dass Missbrauchsopfer erst nach vielen Jahren Anzeige erstatteten. Die Vorsitzende Richterin der VII. Großen Strafkammer, Helga von Lukowicz, hat fünf Verhandlungstage angesetzt, zwölf Zeugen sollen gehört werden.

Werden sie helfen zu klären, was in den Jahren 1992 und 2001 in einem Zimmer im Haus der Eltern des Angeklagten in einem sehr kleinen Dorf bei Bad Oldesloe geschehen ist? Dort lebte der 47 Jahre alte Angeklagte nach seiner Scheidung. Und was sich 2003 auf dem Dachboden eines Hauses in der Gemeinde Henstedt-Ulzburg zugetragen hat? Dort wohnte der Angeklagte mit einer neuen Lebensgefährtin. Von Kindern, die sich entblößen mussten, die ihn berühren sollten und die er berührte, ist in der Anklage die Rede; sie waren damals erst sechs und zehn Jahre alt.

Frederik-Josef M. (Name von der Redaktion geändert), um den es in diesem Prozess geht, schweigt. Hat er verdrängt, woran sich seine vier mittlerweile erwachsenen Opfer noch zu gut erinnern? Oder ist er vor der Realität davongelaufen? Es scheint zunächst sogar so, als wolle er sich der Gerichtsverhandlung entziehen.

Weder ist es seinem Pflichtverteidiger Frank-Eckhard Brand gelungen, Kontakt zu dem Angeklagten aufzunehmen, noch ist der Mann erschienen. Letzter bekannter Wohnort: Göttingen.

Richterin von Lukowicz, offenbar schon darauf vorbereitet, vor leerer Anklagebank zu sitzen, ruft die Polizei in Göttingen an; fünf Stunden später ist M. im Gerichtssaal.

Fertig sieht er aus, dieser schmächtige, gebückt gehende Mann – sicher nicht nur Resultat der für ihn offenbar überraschenden Fahrt im Polizeiauto. quer durch Norddeutschland. Das schüttere graue Haar steht sonderbar flockig in alle Richtungen vom Schädel ab und lässt überall die weißlich bis graue Kopfhaut durchblitzen. Der spärliche Bartwuchs muss ganz offensichtlich schon lange nicht mehr in den Genuss einer Korrektur gekommen sein, das blasse Gesicht dahinter ist von tiefen Furchen durchzogen.

Der Mann könnte glatt 20 Jahre älter geschätzt werden. Seine hageren Hände zittern. Das schwarze Jackett, das er trägt, ist mehrere Nummern zu groß und lässt die für den Träger viel zu breiten Schulterpartien schlaff herunter hängen.

„Ich lebe seit einem Jahr ohne Strom. Deshalb habe ich weder Telefon noch Computer", sagt M. dann doch noch, als er nach dem Grund für seine Verspätung gefragt wird. Und der Briefkasten des Göttinger Apartmenthauses, in dem er lebt, werde regelmäßig aufgebrochen. So will er nicht gewusst haben, dass die Justiz ihn sehen möchte.

Dann geht's um die Sache – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Prozess wird fortgesetzt.