Doch die Angeklagten sind dafür nicht verantwortlich, so das Segeberger Amtsgericht

Bad Segeberg. Nach dem tödlichen Balkonsturz einer 18-Jährigen bei einem Überfall in Trappenkamp (das Abendblatt berichtete) ist der 19 Jahre alte Hauptangeklagte zu zwei Jahren Jugendstrafe verurteilt worden. Das Amtsgericht Bad Segeberg sprach ihn jetzt unter anderem wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und Nötigung schuldig. Ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird, entscheidet sich Ende des Jahres.

Der mitangeklagte Großonkel erhielt eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Das Schöffengericht sah in seinem Urteil aber keine Mitverantwortung der beiden Angeklagten am Tod der jungen Frau. Ihr Tod könne ihnen strafrechtlich nicht zugerechnet werden, sagte die Vorsitzende Richterin Silke Schneider. Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung sei daher nicht zu begründen.

Beide Angeklagten hatten auch nach eigenem Geständnis am 14. Oktober 2012 die Abschiedsparty eines Bekannten überfallen und auf die Feiernden eingeprügelt. Die junge Frau geriet in Panik und rettete sich dabei auf den Balkon – unbemerkt von den Angeklagten. Sie sah von draußen mit an, wie ihre Freunde bedroht und geschlagen wurden. Sie habe über die Balkonbrüstung ein Stockwerk tiefer zu klettern versucht, um nicht nur sich zu retten, sondern auch für ihre Freunde Hilfe zu holen, erklärte ein Freund, den sie in ihrer Verzweiflung anrief. Die Polizei hatte zuvor auf ihren Notruf nur barsch reagiert: Sie müsse den Beamten „gefälligst“ aufs Klingeln notfalls unten die Haustür öffnen. Ihre Leiche wurde erst Stunden später von einem Nachbarn gefunden.

Anders als der Staatsanwalt erkannte das Gericht aber keine Todesangst bei der jungen Frau. Sie sei sicher „massiv verängstigt“ gewesen, aber „sie hätte auch anders handeln können“, sagte die Richterin. „Wir sind überzeugt, dass das Verhalten der Toten eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung war.“

Die beiden Angeklagten sind mehrfach einschlägig vorbestraft. Sie standen zur Tatzeit unter laufender Bewährung. Für den 31-Jährigen sah das Amtsgericht dennoch eine positive Prognose. Bei dem 19-Jährigen Haupttäter – er hatte seinem Großonkel vorgetäuscht, er sei von den Feiernden attackiert worden – gab sich das Gericht deutlich skeptischer. Ob er seine Strafe absitzen muss oder nicht, werde sich in vier Monaten entscheiden, sagte die Vorsitzende. Bis dahin werde der Angeklagte unter strengen Auflagen von der Haft verschont.

Der 19-Jährige hatte vor Gericht erklärt, er sei aggressiv geworden, weil er zuvor mehrere hundert Euro in einer Spielhalle verloren hatte. Nun soll er sich um Therapien seiner Spiel- und Alkoholsucht bemühen sowie um ein Antiaggressionstraining. Das Gericht hielt beiden Angeklagten ihr Geständnis, ihre Reue und den Versuch zugute, sich um einen Täter-Opfer-Ausgleich zu bemühen. Die Angehörigen der Toten und die ehemaligen Freunde lehnten ihre Entschuldigung aber ab. Die meisten verließen während der Urteilsbegründung mit bedrückten Mienen den Gerichtssaal – unter Türschlagen.

Der Staatsanwalt hatte für den 19-Jährigen zwei Jahre Jugendstrafe und die Verbüßung von zwei weiteren Jahren Jugendstrafe gefordert, die zur Bewährung ausgesetzt worden waren. Er kündigte an, Rechtsmittel zu prüfen, weil die Angeklagten nicht auch wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wurden. Die Verteidiger hatten Bewährungsstrafen gefordert.