Die Philharmonie der Nationen gab ein fulminantes SHMF-Konzert in der “TriBühne“

Norderstedt. Die Bühne liegt im Dunkeln. Vorsichtig kurvt ein Mann um Pulte, Stühle und Musiker herum. Findet das Dirigenten-Podium, zieht einen Zettel aus der Tasche. Und eine kleine Leuchte. "Das ist hier so dunkel, da muss ich mir doch ein wenig Licht machen", sagt die Gestalt, die als stattliche Silhouette erkennbar ist.

Das Schweigen im Saal weicht einem entrüsteten Gemurmel: "Warum geht denn das Licht nicht an?" Den Mann ficht das nicht an. Er gibt erst einmal eine Programm-Änderung bekannt, plaudert dann aus, wie er dem Komponisten das Leben gerettet hat: "Vielleicht war das die größte Tat in meinem Musikerleben." Justus Frantz ist der Mann, und der Komponist ist der russische Tondichter Alfred Schnittke.

Frantz spielte mit seiner Philharmonie der Nationen beim dritten Konzert des Schleswig-Holstein Musik Festivals (SHMF) in Norderstedt, diesmal in der "TriBühne". Der Saal war ausverkauft, einige gute Plätze blieben "wundersamerweise" trotzdem frei, das Publikum harrte den ersten Klängen.

Es blieb dunkel. Auch als die ersten Töne erklangen. Schräge Töne. Scherzhafte Töne. Aufmüpfig. Kiebig. Die 13 Musiker spielen im Stehen. Plötzlich münden die schrägen Streicherklänge in ein lautes Tremolo - und zeitgleich geht das Bühnenlicht an. Eine tänzerische Volksweise folgt, die sofort wieder durch das Sirren der Saiten, mit pieksigen Pizzicati gestört wird. Bloß keine Harmonie! "Das ist nicht meine Musik", klagt eine Frau. Statt Alfred Schnittkes Concerto grosso Nr. 3 hat Frantz Schnittkes "Moz-Art à la Haydn" für zwei Violinen und elf Streicher ins Programm gehoben. Ein Scherz Schnittkes, der im Dunkeln beginnt. Und im Dunkeln endet. Das Ensemble spielte den Scherz hörbar mit Vergnügen. Besonders die Solo-Geigen brillierten.

Das skurrile Stück basiert auf dem Fragment "Pantalon und Columbine", das Wolfgang Amadeus Mozart 1783 andachte und das 2006 beim Festival-Konzert in Norderstedt vom Pantomimen-Theater Milan Sladek aufgeführt wurde. Von Haydn holte sich Schnittke dessen Seitenhieb auf seinen Patron Prinz Esterhazy, der die Musiker nie im Hellen nach Hause ließ.

Gegen diesen Schnittke waren Ludwig van Beethovens Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 und Johannes Brahms' Sinfonie Nr. 2, Opus 73, normale Kost. Demzufolge dankte das Publikum mit Begeisterungsstürmen. Besonders dem Pianisten Lars Vogt, der den Klavierpart für Frantz übernahm - eine glückvolle Programm-Änderung.

Doch bevor der Maestro den Taktstock hob, mussten die Orchesterwarte ran, Stühle aufstellen, Pulte schieben, Noten verteilen. Werkstattcharakter. Nichts ist perfekt bei Frantz-Konzerten. Es sei denn, die Musik. Forsch geht Vogt das Beethoven-Konzert an, schaut zu den Musikern, bringt den ganz großen Ton über die Rampe. Im Largo lässt der Pianist, der am 8. September 43 Jahre alt wird, denn doch Gefühl zu und kann im dritten Satz gar tänzerisch auftrumpfen, bevor er bei einer Orchester-Explosion die Zuhörer endgültig packte. Als Zugabe gab der Ausnahme-Pianist, der dem Publikum so unverhofft beschert wurde, schwungvoll einen Brahms-Walzer.

Bei Brahms' zweiter Sinfonie lag die Betonung auf der Romantik des Werks. Dirigent und Musiker lassen es gleichsam singen, besonders der Cello-Satz.

Und noch mehr Zugaben, erst einen ungarischen Tanz von Brahms, dann Antonín Dvoraks Scherz, mit dem er die Abreise seiner Tante feiert. Gelungen!