Land, Stadt und Wohnungsgesellschaften schaffen gemeinsam Sozialwohnungen. Minister lobt den Norderstedter Weg.

Norderstedt. Ob Seniorenbeirat, Frauenhaus, Obdachlose oder Politiker - sie alle beklagen seit Monaten den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Norderstedt und fordern den Bau von Sozialwohnungen. Die vielstimmigen Forderungen zeigen Erfolg: Die Stadt wandelt sich zum Musterschüler im Kampf gegen die Armutsfalle durch steigende Mieten. Das Engagement sei auch nötig, denn Norderstedt habe mit einem Durchschnittspreis von 8,37 Euro pro Quadratmeter netto kalt die höchste Miete in Schleswig-Holstein. Von 2008 bis 2012 sei der Mietpreis um 10,2 Prozent gestiegen (s. Info-Kasten).

"Wie hier alle Beteiligten an einem Strang ziehen, ist vorbildlich und ein Modell, auf das ich in Wedel, Tornesch und anderen Gemeinden im Hamburger Umland gern verweise", sagte Andreas Breitner (SPD). Der schleswig-holsteinische Innenminister hörte sich am gestrigen Montag im Norderstedter Rathaus an, wie Wohnungsgesellschaften, Seniorenbeirat, Verbraucherzentrale, Mieterbund, Verband der freien Wohnungsunternehmen, Frauenhaus und Stadt das Problem beheben wollen. Eingeladen hatte der Segeberger SPD-Bundestagsabgeordnete Franz Thönnes, der sich zwar den Vorwurf gefallen lassen musste, Wohnungsnot als Wahlkampfthema zu instrumentalisieren, aber: "Man muss die Probleme anpacken, wenn sie da sind. Und das ist nun mal jetzt der Fall", sagte der Minister. Außerdem sei es nicht nur legitim, sondern nötig, den Wählern zu zeigen, wo man sich von den anderen Parteien unterscheidet. Ein Lob für die CDU in Norderstedt schob Breitner allerdings gleich nach. Der gemeinsam mit der SPD gefasste Beschluss, dass auf 30 Prozent der Neubauflächen Sozialwohnungen gebaut werden müssen, sei eine gute Grundlage, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Damit habe die Stadt Zugriff auf den Wohnungsbau.

Eine kommunale Wohnungsgesellschaft, wie sie Die Linke fordert, lehnt der Minister für Norderstedt ab. "Das rechnet sich nur bei mehr als 500 Wohnungen." Der Norderstedter Weg sei besser, um die Menschen vor Armut durch steigende Mieten und Nebenkosten zu bewahren. "Hier bekennen sich die Wohnungsgesellschaften wie Plambeck und Adlershorst zu ihrer sozialen Aufgabe", sagte Breitner. So sollen 60 Sozialwohnungen im Garstedter Dreieck und weitere 100 am Busbahnhof in Norderstedt-Mitte entstehen.

90 Millionen Euro stellt das Land in diesem und im nächsten Jahr für den Bau von Sozialwohnungen bereit. Das sind rund 15 Millionen mehr als unter der alten CDU/FDP-Landesregierung. "Die Fördermittel waren nicht marktgerecht, wir haben die Förderung angepasst", sagte der Gast aus Kiel. So gewähre das Land für den Bau von Sozialwohnungen ein zinsfreies Darlehen für sechs Jahre. Anschließend steigen die Zinsen alle drei Jahre um 0,25 Prozent. "Und wir haben einen zweiten Förderweg eingerichtet, von dem auch Menschen aus der unteren Mittelschicht profitieren können", sagte Breitner, der eine positive Zwischenbilanz zieht: Die Nachfrage der Wohnungsgesellschaften ziehe an.

Allerdings weist der Minister wie Norderstedts Baudezernent Thomas Bosse darauf hin, dass sich günstige Wohnungen nicht aus dem Boden stampfen lassen. "Es müssen aber nicht acht Jahre wie im Garstedter Dreieck vergehen, bis die ersten Sozialwohnungen hochgezogen werden. Ein bisschen schneller könnte es schon gehen", sagte Thönnes, der auch die Bestandsmieten stärker deckeln will als bisher. Sie dürften alle drei Jahre um maximal 15 Prozent steigen, bisher könnten die Vermieter 20 Prozent mehr kassieren.

Bei Neuvermietungen will die SPD einen Mietpreissprung von höchstens zehn Prozent zulassen. "Mieterhöhungen von 45 Prozent nach einer energetischen Sanierung sind schon jetzt unzulässig", sagt der Abgeordnete nach dem Abendblatt-Bericht über die Mieter am Fasanenweg, die nach der Modernisierung einen erheblichen Aufschlag fürs Wohnen zahlen sollen. Breitner kann sich auch vorstellen, regionale Mietpreisbremsen einzuziehen. "Nördlich des Nord-Ostsee-Kanals ist die Lage genau gegensätzlich. Die Mieten sinken, der Leerstand steigt."

Weiterer Preistreiber sind die Energiekosten. Auch hier will die SPD die Mieter entlasten, indem sie - Wahlsieg vorausgesetzt - die Strompreissteuer um 25 Prozent senkt und zwei Milliarden Euro mehr für Maßnahmen zur Energieeinsparung zur Verfügung stellt.