Das Schleswig-Holstein Musik Festival gastierte auf Gut Pronstorf

Pronstorf. Keine Angst vor moderner Musik! Schon beim ersten Konzert des Schleswig-Holstein Musik Festivals in Norderstedt begeisterte ein Werk des lettischen Komponisten Peteris Vasks. Beim zweiten Festival-Konzert auf Gut Pronstorf blieben die mehr als 800 Zuhörer im Kuhstall nach Vasks' Klavier-Quartett minutenlang ergriffen still. Um dann den Musikern mit begeistertem Beifall zu danken.

Wieder einmal hat das Motto "bewegend baltisch" des Festival-Schwerpunkts baltische Nationen den Kern getroffen. Das Quartett mit den lettischen Schwestern Baiba an der Violine, Linda an der Viola und der Pianistin Lauma Skride sowie dem Cellisten Julian Steckel lässt ein lettisches Lied voll Dramatik entstehen.

"Musik muss zuerst emotional sein", sagt Vasks. 1946 in der lettischen Kleinstadt Aizpote geboren, musste er erleben, wie staatlicher Terror Menschen deportierte und ermordete. Davon erzählt seine Musik. Aber auch von dem Reichtum an Volksliedern, denen er in seinen Werken huldigt.

Die Schwestern Skride und ihr Cellist betonten den Gesang im Klavier-Quartett. Der Gesang der Violinen schwebt wie von fern ein, voll Verve und vom Willen der Musiker erfüllt, das Publikum mitzureißen, hinein in die Musikwelt des Komponisten. Doch kurz vorm Allerweltsschwelgen inszenieren Klavier und Streicher ein Gewitter, voll Zorn und Aufbegehren, bis es melancholisch verebbt.

Canti dramatici - der dramatische Gesang erinnert an das, was Menschen anderen Menschen antun, an Völkervernichtung und Mord, an unendliches Leid. Doch gleichzeitig gelingt es dem Quartett seelenberührend, das Tröstliche des Vasks-Werks über Klage und Trauer heraus zu heben und die Unendlichkeit und einen tiefen Glauben an Gott über Terror und Vernichtung zu stellen.

Diese Musik elektrisiert nicht nur, sie erschüttert und versöhnt zugleich. Vasks ist ein gläubiger Mensch, der den Menschen mit seiner Musik wieder ein Stück Spiritualität und verloren gegangene Liebe geben will.

Vasks lässt Tod und Terror keine Chance in seinem Klavier-Quartett. Auf Gewitter und Zorn folgt der Narr und macht sich lustig über die Stalins und Hitlers. Clownesk lassen Klavier und Streicher den Teufel auf der Bühne einen Veitstanz auf glühenden Kohlen aufführen, um ihn dann unter Gelächter über die Rampe zu treiben. Froh, dass der Typ von dannen ist, nimmt die Viola ein langes, gefühlvolles Solo auf und geht mit der Geige ein apartes, tröstliches Duo ein. Doch noch ist dem Publikum keine Erholung von der wuchtigen Musikerzählung gegönnt. Noch einmal bricht das große Spiel los. Mit schweren Glockenschlägen läutet das Klavier die Klage nach der vollbrachten Untat ein, doch die Streicher wollen nicht mit vergelten. Sie beklagen das Leid und wollen versöhnen. Und so sanft wie das singende Vasks-Werk gekommen ist, so sanft klingt es aus. Und lässt 800 Zuhörer erschüttert zurück.