25 Jahre lang haben sie auf ihr Haus gespart: Im Norden des Kreises wollte sich das Ehepaar Stade den Traum vom Eigenheim erfüllen - es wurde ein Albtraum.

Heidmühlen. Unter dem Dach nisten Schwalben, die Nachbarn an der Straße Am Klint in Heidmühlen winken freundlich, während Jörg Stade den Rasen mäht und seine Frau Susanne nach dem Haus sieht. Ein Haus, das dem Ehepaar in den vergangenen Monaten schon so manche schlaflose Nacht bereitet hat. In Heidmühlen wollten sich die Stades eigentlich ihren Traum von den eigenen vier Wände erfüllen - doch daraus wurde ein Albtraum.

Bis zum 26. November 2011 - knapp drei Monate Bauzeit waren da vorüber - hatte alles ganz gut ausgesehen. Die Arbeiten am Rohbau und am Dachstuhl waren planmäßig vorangeschritten, die Stades luden zum Richtfest. Doch was einem Nachbarn, von Beruf Diplom-Ingenieur, gleich beim ersten Rundgang auffiel, ließ Jörg und Susanne Stade aufschrecken. "Er hat uns die Augen geöffnet", erinnert sich Bauherr Stade.

Stades haben ein Schild angebracht: "Achtung! Einsturzgefahr" steht drauf

Quasi aus dem Stand heraus konnte der Nachbar 40 offensichtliche Mängel benennen: Der Dachstuhl war nicht gegen Witterung geschützt, die Dachdichtungsbahnen waren mangelhaft angebracht - das sind nur zwei der Mängel, die umgehend der Bauleitung, der Firma BAS Architekten in Bad Segeberg, gemeldet wurden. "Wir besitzen nur ein Halbwissen. Aber wir wussten, dass das alles nicht korrekt sein konnte", so Jörg Stade. Doch BAS wiegelte ab: Es handele sich lediglich um optische Probleme, es sei alles gar nicht so schlimm. Stade: "Sie sagten: Lehnen Sie sich zurück, wir machen das schon." Seitdem ist am Haus nichts mehr geschehen - nur ein Schild haben Stades vorsichtshalber angebracht: "Achtung! Einsturzgefahr!" steht da drauf. Jörg Stade: "Unser Haus ist Schrott und nicht mehr zu retten."

Für Susanne und Jörg Stade, er selbstständiger Softwareentwickler und IT-Fachmann, sie Krankenschwester, ist das eine Katastrophe. 25 Jahre lang haben sie auf ihr Haus gespart. Bewusst ohne hohe und langfristige Verschuldung wollten sie bauen, um im Alter unbelastet und mietfrei wohnen zu können.

Stattdessen waren sie im März 2012 gezwungen, mit Hilfe des Kieler Rechtsanwalts Olaf Sjard Hachten ein sogenanntes selbstständiges Beweisverfahren beim Landgericht Kiel anzustrengen. Denn der Rohbauer weigerte sich, die auch von ihm eigentlich als notwendig erkannte Mängelbeseitigung mit Komplettabriss und Neuaufbau auszuführen, weil er dies für unzumutbar hielt. Sein Rechtsanwalt fügte hinzu, die Eheleute Stade müssten dies dann gerichtlich durchstreiten, wobei er seinem Mandanten gegebenenfalls zu einem Insolvenzantrag für diesen Fall raten werde. So kam es dann auch.

Im November 2012 fand ein Ortstermin in Heidmühlen mit dem Gutachter Sigurd Klose statt. Er bestätigte die Vermutung der Stades. Sein Fazit: Eine Sanierung ist nicht mehr möglich, ein vollständiger Rückbau unumgänglich. Der Zimmermann, so der Gutacher, hätte die statischen Mängel bemerken müssen und hätte gar nicht erst mit dem Bau des Dachstuhls beginnen dürfen. Insgesamt umfasst das Gutachten 55 Seiten. Für die Gewerke und die Bauleitung ist es ein vernichtendes Dokument. Der betroffene Rohbauer und der Zimmermann unterstellten dem Sachverständigen sogleich, befangen zu sein. Doch das Oberlandesgericht Schleswig wies diese Beschwerden in allen Instanzen ab.

Die Stades mussten unterdessen in Kaltenkirchen ein Haus mieten - notgedrungen. Ihre vorherige Bleibe in Ellerau hatten sie schon im Frühjahr 2012 verkauft, weil der Umzug nach Heidmühlen fest für den April 2012 geplant war. All dies hat sich auf unbestimmte Zeit verschoben.

Der Lübecker Rechtsanwalt Dr. Christoph Küchenmeister vertritt BAS, die den Rechtsstreit selbst nicht kommentieren will. "Die Herrin des Verfahrens ist die Haftpflichtversicherung", betont Dr. Küchenmeister. Dass der Rohbauer seine Arbeit unzureichend ausgeführt hat, bestreitet auch der Anwalt nicht. BAS trage Verantwortung, weil die Kontrolle nicht funktioniert habe. "Wir könnten das Beweisverfahren schnell beenden, wir wollen uns mit den Bauherren an einen Tisch setzen", sagt Dr. Christoph Küchenmeister. Ihm schwebt ein Kompromiss vor - ein Gerichtsverfahren, so gibt der Anwalt zu bedenken, könnte Jahre dauern.

Doch das Ehepaar Stade lehnt einen Vergleich kategorisch ab. "Das macht für uns keinen Sinn", sagt Jörg Stade. Denn seine Frau und er wollen nicht nur ihre bisherigen Investitionskosten erstattet haben, die sich auf fast 40.000 Euro inklusive der Kosten für den Sachverständigen summiert haben. Dazu kommen die voraussichtlichen Abrisskosten von rund 20.000 Euro und auch die Mietkosten für das Haus in Kaltenkirchen. Für die Interims-Unterkunft haben Stades bisher etwa 15.000 Euro ausgegeben. Ungeklärt ist, ob auch die Ausgaben für die bereits eingebauten Fenster und die Küche von der Vereinigten Hannoverschen Versicherung - dort ist die BAS versichert - erstattet werden.

Die Versicherung ist generell bereit, den Schaden zu regulieren - vorbehaltlich der weiteren Prüfung -, sodass allen Seiten ein langwieriger Prozess erspart bliebe. Dafür müssten Susanne und Jörg Stade jedoch detailliert alle Kosten aufstellen. Die Versicherung würde dann Cent für Cent prüfen, ob die Forderungen der Stades berechtigt sind. Gut möglich, dass die Rückzahlungen über einen längeren Zeitraum Schritt für Schritt erfolgen. "Wir wollen auf jeden Fall die Zusage, dass unsere Mehrkosten getragen werden. Wir wollen uns nicht bereichern", betont Jörg Stade mit Nachdruck.

Für den Anfang wäre er schon erleichtert, wenn die Ruine am Ortsrand endlich verschwinden würde. "Die Leute denken schon, wir sind pleite. Der Bau soll abgerissen werden, damit wir aus der Haftung sind." Ansonsten fahren er und seine Frau wie bisher bei jedem Unwetter hinaus nach Heidmühlen. "Wir haben Angst, dass beim nächsten Sturm etwas passiert. Deswegen gucken wir jeden Tag vorbei - auch nachts." Denn würde der Rohbau einstürzen und etwa einen Spaziergänger verletzen, wären die Stades als Bauherren haftbar.

Wie es weitergeht, ist noch unklar. Doch eins steht für die Stades nach wie vor fest: Ein Haus in Heidmühlen soll ihr Altersruhesitz werden.