Ortrud Binder lernt seit vier Jahrzehnten die Sprache unserer Nachbarn an der VHS Norderstedt. Der Spaß daran ist während der Zeit nie verloren gegangen.

Norderstedt. Sie wollte schon mal aufhören, kann es aber einfach nicht lassen: Ortrud Binder sitzt noch immer im Dänisch-Kursus der Volkshochschule (VHS) Norderstedt. Seit 40 Jahren vertieft sich die Norderstedterin in die Sprache des Nachbarlandes. Sie gehört zu den Lernern der ersten Stunde und hat natürlich auch von der Geburtstagstorte genascht, die Kursleiterin Hanne Fabisch, 57, zum Jubiläum auf den Tisch gestellt hat.

Ganz landesgemäß, mit dem Dannebrog, der dänischen Flagge, und der Geburtstagszahl, natürlich auf Dänisch. "Wir haben mit den Kindern in Dänemark Urlaub gemacht, und da wollte ich in der Landessprache einkaufen und mit den Menschen sprechen können", sagt Ortrud Binder. 1973 lernte sie bei der VHS die ersten Brocken, hatte, wie so viele, Mühe mit der Aussprache. "Die ist schon schwierig, deswegen trainieren wir das gerade am Anfang sehr intensiv", sagt Hanne Fabisch. Die gebürtige Dänin, die seit mehr als 35 Jahren in Deutschland lebt, leitet zwei Dänischkurse. Die Dänen verschlucken gern mal Laute, intonieren sie ganz anders als es das Schriftbild hergibt, haben keine Sprachmelodie wie die schwedischen Nachbarn oder Franzosen.

"Ich habe kein Wort verstanden", sagt Rüdiger Ries. Was der dänische Pastor sagte, als die Großtante von Ries beerdigt wurde, blieb dem ehemaligen Bauingenieur verschlossen. Regelmäßig war der heute 69-Jährige als Kind und Jugendlicher bei seiner Großtante im Nachbarland. "Sie hat versucht, uns Dänisch beizubringen. Und ich dachte, ich könnte das einigermaßen, habe mir Fotos in dänischen Zeitungen angesehen und den Text dazu", sagt der Hamburger aus Langenhorn, der ebenfalls bei der VHS Norderstedt Dänisch lernt. Doch die Trauerrede, von der er außer dem Namen seiner Großtante nichts verstand, machte ihm klar: "Ich konnte eigentlich so gut wie nichts."

Ries stieg 1975 bei der VHS ein und blieb dabei. "Wenn ich jetzt aufhöre, würde ich ja wieder alles vergessen", sagt der Rentner, der den Kursus auch als Wissens-Quelle sieht. Denn es geht auf dem hohen Sprachniveau nur noch selten um die "ungeliebte" Grammatik und Vokabeln. Konversation, kurze Aufsätze, Referate bestimmen den Unterricht, der eigentlich keiner mehr ist: "Die Gruppe ist so gut, dass wir uns über alles unterhalten können", sagt Hanne Fabisch: "Und die Teilnehmer wissen viel, in der Geschichte Dänemarks kennen sie sich besser aus als ich." Ein Referat war es auch, bei dem Rüdiger Ries lernte, dass "die Hefe fürs Bierbrauen, die heute weltweit verwendet wird, in der dänischen Carlsberg-Brauerei erfunden wurde". Saccharomyces carlsbergensis heißt der Hefepilz, der auch wissenschaftlich genutzt wird.

Immer schon ging es beim Lernen locker zu, wurde gespielt und viel gelacht. Annegret Jöhnk, Vorgängerin von Hanne Fabisch als Kursleiterin, hat sogar Lehrbücher geschrieben und sie mit Fotos ihrer Teilnehmer bebildert. Unterrichtsmaterialien fehlten, als die Norderstedter VHS die ersten Dänisch-Kurse anbot.

"Meine Tochter hat gesagt, ich soll bloß dabei bleiben, damit die kleinen grauen Zellen gefordert werden", sagt Ortrud Binder. Doch das ist nicht der einzige Grund, der die 74-Jährige im Lehrgang hält: "Wir haben viel Spaß und lachen viel, müssen wir auch, damit sich unsere Treffen vom Lernen in der Schule unterscheiden", sagt der bekennende Dänemark-Fan, der bei weitem nicht der Oldie unter den elf VHS-Dänen im C1-Kursus von Hanne Fabisch ist. 86 ist die älteste Teilnehmerin, bis auf eine Frau haben alle das Rentenalter erreicht, auch die drei Männer.

Mit ihrem Dänisch hat Ortrud Binder die Tür zu den Dänen aufgestoßen. "Auch wenn das nicht perfekt war, so haben sie doch mein Bemühen anerkannt", sagt die Norderstedterin. Aus ihren Vermietern wurden Freunde, die Freundschaft hält bis heute. Was zieht sie immer wieder nach Dänemark, im Sommer an die Ostsee, sonst an die Nordsee? "Die Dänen sind so", sie sucht nach dem richtigen Wort und nennt ein dänisches, "hyggelig", so gemütlich, so unaufgeregt, so gelassen. "Die deutschen Mütter waren auf dem Spielplatz immer gleich so panisch, haben laut geschrien, dass ihre Kinder dies oder jenes lassen sollten", sagt Dozentin Fabisch. Sie habe erst mal geguckt und möglichst ruhig reagiert.

Höhepunkt des Unterrichtssemesters ist immer der Ausflug nach dänischem Ritual. "Bei jedem Picknick wird immer zuerst die Tischdecke ausgebreitet und die Kaffeekanne auf den Tisch gestellt", sagt Ortrud Binder. Wenn sie und ihre Mitstreiter sich irgendwo draußen niederlassen, und zwar bei jedem Wetter, bringt jeder etwas mit. Und die Ausflüge sind immer an Kultur gekoppelt, so haben die Kursteilnehmer beispielsweise die VHS in Apenrade gleich hinter der Grenze besichtigt.

Das schweißt zusammen, und so werden die Norderstedter "Dänen" wohl noch weiter mit ihrer Lehrerin Hanne Fabisch jede Menge Spaß haben und sich sprachlich weiter verbessern.