Seit 36 Jahren baut der 68-Jährige aus Hartenholm große und kleine Marionetten. Er schreibt Stücke und stellt Requisiten her.

Hartenholm. Der Aufwand ist beträchtlich, doch die Szenen, in denen die Puppen auftreten, sind vergleichsweise kurz. "30 Stunden Arbeit für einen Fünf-Minuten-Auftritt", sagt Otto Henning und lässt Oskar von Klemm und Reibach über das Spielkreuz an neun Fäden hin- und hertanzen. Flott sieht er aus, mit einer echten "Diesel"-Jacke bekleidet. Ein schwerer Junge. Knapp zehn Kilogramm bringt die Marionette auf die Waage. Puppenspiel hat mitunter schon mit harter körperlicher Arbeit zu tun. Vor allem, wenn man wie Otto Henning, 68, die Figuren selbst baut. Seine Passion seit 36 Jahren. Und er macht noch viel mehr. "Von der Idee bis zum Bühnenvorhang erarbeiten wir alles selbst", betont Henning. Zum "wir" gehört Ehefrau Wiebke, 70, die vor 16 Jahren bei ihm einstieg. Wo lernten die beiden einander kennen? "Bei einem Workshop für Marionettenbau", sagt sie und amüsiert sich.

Seit zwei Jahren lebt und arbeitet das Paar in Hartenholm. Eine geräumige Doppelgarage ist jetzt die Werkstatt "Pulcinella" - ein Zuhause für etwa 50 große und kleine Puppen. Eine vergleichsweise kleine Auswahl. "500 Puppen habe ich noch in Kellinghusen stehen", bemerkt Henning. Unter dem organisatorischen Dach der Volkshochschule hat er einst ein Theater eingerichtet und gibt dort noch immer an jedem ersten Sonntag im Monat eine Vorstellung. "Barnys Figurentheater" nennt er sich.

In Kellinghusen im Kreis Steinburg fing alles an, vor 36 Jahren. Ganz schlicht und auch nur zufällig. Und mehr auf Verlangen seines damals dreijährigen Sohnes, der eines Tages forderte, sein Vater möge ihm doch auch eine Marionette wie im Fernsehen bauen. Otto Henning, von Beruf Zimmerer, kam der Bitte seines Sohnes nach. Und dieser einen Puppe folgten weitere. Irgendwann schrieb er ein Stück dazu. Und gab auf Wunsch einer Bekannten auf dem Weihnachtsmarkt in Kellinghusen eine Vorführung. "Ich hab' ein Faible fürs Theater", bekennt er. Doch anders als viele Kollegen ist er unabhängig geblieben, hat auf Zuschüsse verzichtet. Das war allerdings nur möglich, weil Otto und Wiebke Henning neben dem Puppenspiel stets berufstätig waren. "Nun hat es sich erledigt, jetzt sind wir Rentner", sagt er.

Doch beim Puppentheater ist er bis heute geblieben. Henning hat mittlerweile etwa 150 Stücke geschrieben. Er spielt nicht für eine bestimmte Zielgruppe, obwohl sein Repertoire sowohl Kinder- als auch Erwachsenenaufführungen beinhaltet. "Ich spiele für Familien", sagt er. Und ganz sicher nicht mit erhobenem Zeigefinger. Er will kein Blendax-Kasper sein mit pseudo-pädagogischen Ansätzen. Die Aufforderung zum Bravsein verkneift er sich: "Eltern und Erzieher müssen auf die Kinder einwirken, nicht irgend so ein Kasper."

Will er nur unterhalten? Oder auch eine Botschaft vermitteln? Otto Henning verzieht das Gesicht. Auf keinen Fall will er das tun, was andere machen. "Ich greife etwas auf aus dem Alltag, was täglich geschieht. Mitunter kommen auch die Leute zu mir mit Vorschlägen, zum Beispiel zu Verkehrsproblemen", erklärt er. Ideen entwickelt er überall: "Ich schaue zu und höre hin. Wenn sich Leute unterhalten oder diskutieren. Da finde ich immer was." Doch egal, was es ist: Am Schluss müssen die Probleme gelöst sein. "Das erwarten die Kinder", weiß er. Henning kann nur bestätigen, was andere vor ihm schon festgestellt haben: Kinder sind die kritischsten Zuschauer. Sie loben nicht nur und freuen sich, sie kritisieren auch. Ein Stück auf die Bühne zu bringen, vor allem wenn es ein Zwei-Stunden-Stück ist, kostet Zeit und Nerven. Mitunter stehen acht Leute auf der Bühne und bewegen die Puppen. Das muss entsprechend geprobt werden. Zurzeit konzentrieren sich Wiebke und Otto Henning auf ein ganz besonderes Stück. Sie wollen "Arsen und Spitzenhäubchen" auf die Bühne bringen. Die Darsteller warten schon aneinandergereiht in der Garage auf die ersten Proben, auch die Bühnenelemente sind bereits fertig. 13 Rollen beinhaltet das Stück, davon entfallen allein sieben auf das Ehepaar Henning. Selbstverständlich, dass zu jeder Rolle eine andere Stimme gehört. "Das muss man oft üben. Wie ein richtiger Schauspieler", sagt Henning. Und gibt zu, dass er bei jedem Auftritt und vor allem bei neuen Stücken Lampenfieber hat. "Ich bin immer der Nervöseste."