Laut einer Studie muss der Kreis Segeberg 120 Millionen Euro investieren, um den enormen Mangel zu beheben. Studienleiter: “Mit der starken Zunahme Älterer wird auch die Zahl der Pflegebedürftigen rasant wachsen.“

Kreis Segeberg. Ein enormer Mangel an Senioren-Wohnungen herrscht im Kreis Segeberg. In den kommenden Jahren werden kreisweit rund 7700 altengerechte Wohnungen fehlen. Das geht aus der aktuellen Studie "Wohnen 65plus" hervor, die das Regionaldaten-Institut Pestel erarbeitet hat. Die Wissenschaftler aus Hannover sagen darin erstmals auf der Grundlage der neuen Zensus-Zahlen voraus, wie sich die Bevölkerung entwickelt. Demnach werden im Jahr 2035 im Kreis Segeberg 76.170 Menschen älter als 65 Jahre sein - 43 Prozent mehr als heute.

"Mit der starken Zunahme Älterer wird auch die Zahl der Pflegebedürftigen rasant wachsen", sagt Studienleiter Matthias Günther. Die Prognose für den Kreis Segeberg gehe von rund 11.440 Pflegebedürftigen im Jahr 2035 aus.

Die stationäre Pfleg im Heim verursacht enorme Mehrkosten

"Bei dieser Entwicklung wird es höchste Zeit, barrierearme Wohnungen für Senioren zu schaffen. Ziel muss es sein, die älteren Menschen so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden wohnen zu lassen. Auch dann noch, wenn sie dort ambulant gepflegt werden müssen", sagt Günther. Die Alternative sei der Umzug ins Pflegeheim. Genau das wollten viele Ältere aber nicht. Zudem verursache die stationäre Pflege im Heim enorme Mehrkosten.

Ein Pflegeplatz im Heim koste - im Vergleich zur ambulanten Pflege zu Hause - pro Jahr rund 7200 Euro mehr. Laut Bundesbauministerium koste es im Schnitt 15.600 Euro, eine Wohnung barrierefrei umzubauen. Verglichen mit den Mehrkosten für den Heimaufenthalt, amortisierten sich die Umbaukosten in gut zwei Jahren. Das sieht auch Hans Jeenicke vom Norderstedter Seniorenbeirat so. "Je länger die Menschen zu Hause leben, desto stärker wird der Sozialetat entlastet. Denn das Sozialamt des Kreises zahlt den Heimaufenthalt, wenn die Bewohner das nicht mit eigenen Mitteln können", sagt der Leiter des Arbeitskreises Soziales im Seniorenbeirat. In Schleswig-Holstein gebe es bundesweit die meisten Heimplätze. Daher könnten auch landesweit die Sozialausgaben sinken, wenn im Gegenzug altersgerechte Wohnungen gebaut werden. Und das sei gar nicht so teuer. Nach Ansicht von Fachleuten koste es nur fünf Prozent mehr, auf Treppen zu verzichten und breite Türen einzubauen.

"Die Wohnungswirtschaft bezeichnet barrierefreien Wohnraum als Komfortwohnungen, die sich gut verkaufen oder vermieten lassen, auch an Jüngere, denn sie vermitteln einen großzügigen Eindruck", sagt Jeenicke, der auch im Landesseniorenrat aktiv ist. Das Gremium hat einen Antrag auf den Weg gebracht, wonach das Sozialministerium die Mehrkosten für den Bau barrierefreier Wohnungen präzisieren soll.

Auch in Norderstedt fehlen bezahlbare und altengerechte Wohnungen. Der Seniorenbeirat hatte sich vor einem Jahr dafür ausgesprochen, dass auf dem städtischen Grundstück am Kiefernkamp Wohnungen für alte Menschen mit niedriger Rente gebaut werden. Seit fast zehn Jahren versucht die Stadt, das Grundstück mit den sogenannten Rentnerwohnungen in Friedrichsgabe zu verkaufen - vergeblich. Auch das Projekt des Seniorenbeirates ruht, bisher hat sich kein Investor gefunden.

Der Bund muss die Förderung erhöhen, damit Sozialwohnungen gebaut werden

"Ich erwarte größeren Einsatz der Städte und Gemeinden, wenn es darum geht, bezahlbaren und altersgerechten Wohnraum zu schaffen", sagt Jeenicke. Verwaltung und Politik lehnen eine städtische Wohnungsbaugesellschaft ab und sehen die privaten Unternehmen in der Pflicht. Die allerdings verweisen darauf, dass sozialer Wohnungsbau angesichts der geringen öffentlichen Förderung ein Minusgeschäft sei. "Es ist verständlich, wenn die Wohnungsbauunternehmen darauf hinweisen, dass sie Geld verdienen müssen", sagt Jeenicke.

Daher sei vor allem der Bund gefordert, attraktive Fördertöpfe zu schaffen. "Die Bundesregierung muss Geld in die Hand nehmen, die Kommunen müssen die Flächen zur Verfügung stellen", sagt Rudolf G. Beeth, Vorsitzender des Sozialausschusses im Kreis Segeberg: "Wir dürfen die alten Leute doch nicht in die Obdachlosigkeit entlassen." Auch die Pestel-Studie sieht den Bund in der Pflicht, den Bau altersgerechter und bezahlbarer Wohnungen neben zinsgünstigen Krediten auch durch direkte Bau-Zuschüsse und steuerliche Abschreibungen anzukurbeln. Rund 120,2 Millionen Euro müssten investiert werden, um ausreichend altersgerechte Wohnungen im Kreis Segeberg zu schaffen. Die Segeberger Bundestagsabgeordneten müssten sich in Berlin dafür stark machen, dass die Zuschüsse erhöht werden, fordert das Bündnis "Wohnen 65plus", Auftraggeber der Studie. Dazu gehören der Sozialverband VdK Deutschland, der Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure, die Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau und der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel.