Holger Wöhlke ist unheilbar an ALS erkrankt. Am Montag startete er mit dem Rollstuhl zu einer Aufklärungs-Tour. Insgesamt will er 950 Kilometer durch Schleswig-Holstein fahren.

Hasenkrug. Holger Wöhlke hat genug gewartet. Kurzerhand bedient er die Hupe seines elektrischen Rollstuhls, Hund Paul hüpft reflexartig an Bord und hockt sich neben das linke Bein seines Herrchens; auch Ehefrau Sabine nimmt nun Platz auf dem Anhänger. "Wir sind dann mal weg", sagt der 68 Jahre alte Hasenkruger trocken, lächelt kurz nach links und rechts zu Nachbarn, Freunden und Bekannten, dann fährt das Trio aus der Einfahrt und ist binnen weniger Sekunden um die nächste Kurve entschwunden. Die ersten Ziele: Brokstedt, Borstel, Quarnstedt, Wrist, Bokel und dann bis nach Kollmar an der Elbe.

Beim Essen und im Bad er auf die Hilfe seiner Frau Sabine angewiesen

Es soll eine letzte große Reise sein, ein Abenteuer mit ernstem Hintergrund. Seit 2005 weiß Wöhlke um sein Schicksal. Die seltene Krankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose), unheilbar, zerstört sein Nervensystem. Holger Wöhlke kann zwar noch stehen, aber nicht mehr gehen. Beim Essen und im Bad ist er auf die Hilfe seiner Frau angewiesen, das Sprechen fällt ihm schwerer, je länger ein Tag dauert.

Wie viel Zeit ihm noch bleibt, weiß Wöhlke nicht. Er will jeden Moment auskosten und sinnvoll nutzen. Deswegen setzt er einen kühnen Plan in die Tat um. 18 Tage lang werden er, Sabine und Paul mit dem elektrischen Rollstuhl samt Anhänger Schleswig-Holstein von Süd nach West, von Ost nach Nord bereisen. Mit im Gepäck hat er 5000 Flyer mit Informationen über ALS und 5000 Armbänder mit der Aufschrift www.als-power.de (das Abendblatt berichtete). "Ich möchte mit möglichst vielen Menschen sprechen", sagt Holger Wöhlke.

Sie sollen Hintergründe erfahren über die Krankheit, sollen die Homepage besuchen, die er seit mehr als zwei Jahren betreibt. Es geht nicht nur um Wöhlke, sondern um die Zukunft. An der Berliner Charité wird nach den genauen Ursachen von ALS geforscht, es werden neue Therapiemöglichkeiten gesucht, jede Spende ist dort eine große Hilfe. Dafür werben die Wöhlkes im Juli vor Ort in Kollmar, Hamburg-Schnelsen, Großensee, Büsum, Husum, Kiel, Bokholm oder Brunsbüttel. Dort werden sie jeweils auf Campingplätzen übernachten - der Wagen wird bei der Ankunft stets auf sie warten, dafür sorgen Sohn Torben und der gute Freund Claus Geiler.

Der Scooter schafft maximal Tempo 15. Im Schnitt müssten 50 Kilometer täglich absolviert werden. Regenpausen wird es nicht geben. "Ich bin wetterfest. Notfalls ziehe ich mir eben eine Kappe über", sagt Holger Wöhlke. Um die Tauglichkeit seines Gefährts gab es indes noch bis kurz vor Tourstart Zweifel. Bei einem Probelauf hatten sich die Kugellager des Anhängers verabschiedet. Gerade noch rechtzeitig lieferte ein Spezialist aus Neumünster Ersatz - sonst hätte die Reise verschoben oder gar abgesagt werden müssen. "Das wäre gar nicht in Frage gekommen", so Wöhlke. "Am Sonnabend haben wir die Kugellager für die Reifen des Anhängers bekommen. Jetzt kann nichts mehr passieren."

Es stehen viele Menschen Spalier, als sich die Wöhlkes um kurz vor neun Uhr morgens auf den Weg machen. Auch Christian Stölting, leitender Verwaltungsbeamter im Amt Bad Bramstedt-Land, und Kerstin Ahlmann vom Bauamt sind gekommen. Schließlich hätte Holger Wöhlke am 14. Juli ein Dienstjubiläum gefeiert - seit zehn Jahren ist er dabei. Während er früher als Techniker beim Landesamt für Straßenbau arbeitete, nimmt er auch heute noch Entwässerungsanträge ab.

Auch der HSV überlegt, wie er dem Mann aus Hasenkrug helfen kann

Dass Holger Wöhlke mit seiner Aufklärungs-Tour großen Anklang findet, verdeutlicht nicht zuletzt die Einladung des Hamburger SV. Am heutigen Dienstag macht die Rundfahrt Station im Volkspark an der Imtech-Arena, wo Oliver Scheel, Vorstand für Mitgliederbelange, mittags den treuen Anhänger aus Hasenkrug begrüßen wird. "Ich bin seit 1958 Fan, als Uwe Seeler bei der Weltmeisterschaft in Stockholm ein super Tor geschossen hat. Ich fahre mit der Raute im Herzen durch Schleswig-Holstein." Gemeinsam wollen sie überlegen, wie auch der Traditionsclub die Initiative von Holger Wöhlke unterstützen kann.