Die Norderstedter Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs setzt sich für die Rechte der Radler ein und organisiert Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung.

Es passierte vor wenigen Tagen am Kreisel Falkenbergstraße/Langenharmer Weg in Norderstedt: Eine Autofahrerin übersah ein zwölf Jahre altes Mädchen, das auf dem Fahrrad die Straße überqueren wollte. Es kam zum Zusammenstoß. Die verletzte Schülerin wurde mit dem Rettungswagen in das Krankenhaus Heidberg gebracht, die Unfallverursacherin muss sich nun wegen fahrlässiger Körperverletzung verantworten.

Solche Vorfälle kennt Michael Artmann, Vorsitzender der Ortsgruppe Norderstedt im Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC), aus eigener Erfahrung. Sein Sohn Simon, 8, wollte im vergangenen Jahr mit dem Fahrrad auf einer Straße nach links abbiegen und saß plötzlich auf der Motorhaube eines Autos, dessen Fahrer nicht aufgepasst hatte. Dennoch sagt Artmann: "Die Eltern müssen ihren Kindern frühzeitig erlauben, alleine Fahrrad zu fahren. Dann lernen sie Selbstständigkeit."

Michael Artmann wohnt mittlerweile seit 13 Jahren in Quickborn, davor war er lange Zeit ADFC-Vorsitzender in Fulda. Der ambitionierte Tourenradler hat halb Europa bereist und überall gute Ideen gesammelt. So hat er in Norderstedt die Familienradtouren eingeführt - speziell für Eltern mit selbst radelnden oder im Anhänger mitfahrenden Kindern.

Beim ADFC-Informationsstand auf dem Museumsfest in Friedrichsgabe war ein selbst gebasteltes Energiefahrrad der Clou: Munter strampelten die Kids darauf herum. Dieses Rad ist wie ein umgebauter Hometrainer. Durch das Treten erzeugen die Kinder Strom, mit dem dann ein oder mehrere Verbraucher versorgt werden können: Verschiedene Leuchten- und Lampentypen, ein Radio oder sogar ein elektrischer Wasserkocher lassen sich ohne Strom aus der Steckdose betreiben. Auf diese Weise "erfahren" die Schüler, dass Stromerzeugung Kraft und Energie kostet.

Wer mit dem Rad zur Arbeit kommt, ist schon morgens fit

"Viele Menschen haben das Fahrradfahren als Freizeitgestaltung neu entdeckt", sagt Artmann. "Auch für alltägliche Einkaufsfahrten und für den Arbeitsweg wird das Rad wieder verstärkt genutzt."

Die Argumente der Fahrrad-Lobby sind einleuchtend: Autofahren wird immer teurer und macht immer weniger Spaß. Dagegen gewinnt das Radfahren stetig an Attraktivität. "Die Verkehrswende ist in vollem Gange, auch wenn sie bei vielen Politikern und Verkehrsplanern noch nicht angekommen ist", behauptet ADFC-Verkehrsexperte Rolf Jungbluth. "Es gibt immer mehr Menschen, die mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Oft sind sie schneller am Ziel als Autofahrer, die häufig im Stau stehen."

Studien des ADFC Deutschland haben ergeben: "Auf Entfernungen bis zu sechs Kilometern ist das Fahrrad eindeutig das schnellste Verkehrsmittel im Stadtverkehr. Das ist ein enormes Entlastungspotenzial für die Umwelt, die Gesundheit und den privaten wie öffentlichen Geldbeutel." Und wer mit dem Rad zur Arbeit kommt, gehe schon morgens fit und motiviert an die Aufgaben heran.

Drängelgitter und Umlaufsperren mögen die Radler überhaupt nicht

Norderstedt ist eine fahrradfreundliche Stadt. Kaltenkirchen, das als Norderstedter Ableger gerade eine ADFC-Ortsgruppe gegründet hat, will es werden. "Bis zum Herbst wollen wir die Zahl von 400 Mitgliedern überschreiten, und 2014 werden wir sicherlich die Schnapszahl 444 erreichen", glaubt Tourenleiter Rolf Jungbluth.

Der 71-jährige ehemalige Handelsvertreter ist verkehrspolitischer Sprecher des Ortsvereins, und er sorgt dafür, dass die Freizeitradler in Norderstedt und Umgebung positiv im Gespräch bleiben. "Unsere Zielvorstellung ist es, dass irgendwann einmal Radfahrer und Fußgänger überwiegend das Straßenbild prägen. Um das zu erreichen, bedarf es vieler Maßnahmen", sagt er.

Rolf Jungbluth lässt niemals locker. Er kämpft unermüdlich, und er lässt sich nicht abschrecken, wenn er bei der Stadt auch mal auf taube Ohren stößt. "Mit konstruktiven Vorschlägen setzen wir uns dafür ein, Missstände zu beseitigen, die das Radfahren erschweren oder gefährlich machen", sagt er. "Oberbürgermeister Grote zeigt Verständnis für unsere Sorgen und Probleme."

Jungbluth hat ein Herz für Kinder und für die Rollstuhlfahrer. Kommt die Sprache auf das Thema Drängelgitter und Umlaufsperren, dann kann er sogar wütend werden. Besonders, wenn es um die Sperre an der Alsterquelle in Henstedt-Rhen geht. Hier machen Rolf Jungbluth und Lebenspartnerin Gerda Goerke bei ihren Touren durch den Kreis Segeberg stets Zwischenstation. "Die Umlaufsperre ist immer noch nicht abgebaut. Jetzt muss die Gemeinde aber langsam aktiv werden", wettert der ADFC-Tourenleiter.

Das sieht Vorstandschef Michael Artmann auch so: "Die Umlaufsperre ist für Behindertenfahrräder nicht passierbar. "Ich hatte bei einer von mir geleiteten Tour einen gehbehinderten Mann dabei, dessen Dreirad wir manuell umsetzen mussten. Es ist schade, wenn die Schwächsten unnötig ausgegrenzt werden."

Am 20. März hatte der Umwelt- und Planungsausschuss der Gemeinde Henstedt-Ulzburg auf Antrag der Wählergemeinschaft WHU und nach Vorträgen von Jungbluth und von der Behindertenbeauftragten Juliane Geuke den Abbau von Umlaufsperren und Drängelgittern beschlossen. "Ich bleibe am Ball", verspricht Jungbluth.

In Norderstedt wird im Winter auch auf Radwegen gestreut und Schnee gefegt

Gerade in letzter Zeit hat die Ortsgruppe den Beweis angetreten, dass Änderungen und Verbesserungen möglich sind: Seit Dezember 2012, nach vielen Gesprächen und Verhandlungsrunden, wird in Norderstedt auch auf Radwegen gestreut und Schnee gefegt. "Eine fahrradfreundliche moderne Gemeinde kann es sich in Zeiten der Verkehrs- und Energiewende nicht mehr leisten, den Radverkehr im Winter zum Erliegen zu bringen", sagt Rolf Jungbluth.

Der ADFC-Verkehrsexperte hat schon wieder einen Plan: Er will dem Oberbürgermeister eine Wette anbieten: Wer ist mit dem Fahrrad schneller? Hans-Joachim Grote wohnt 1,3 Kilometer vom Rathaus entfernt, sein Gegner drei Kilometer. "Ich werde gewinnen", behauptet Rolf Jungbluth. Auf jeden Fall bleiben die Radler weiter im Gespräch....

Am kommenden Montag stellen wir Ihnen das Feuerwehrmuseum in Norderstedt vor. Alle bisherigen Folgen finden Sie hier: Abendblatt.de/themen/meinvereinnorderstedt/