Großeinsatz in Tangstedt. Anwohner müssen ihre Häuser verlassen. Fässer stammen vermutlich aus den 40er-Jahren. Anwohner fragen sich, ob mehr als nur diese sechs Fässer unter ihren Grundstücken lagern.

Tangstedt. Unberührt lagerten sie 1,50 Meter tief im Lehmboden auf öffentlichen Grund, mitten in Wilstedt im Neubaugebiet gegenüber der Feuerwehrwache, wo niemand die potenzielle Gefahr ahnen konnte. Als jedoch ein Baggerfahrer auf die wohl schon seit den 1940er-Jahren vergrabenen sechs Fässer stieß, eines beschädigte und somit ätzende Dämpfe entwichen, erlebte die Gemeinde einen der größten Einsätze von Feuerwehr und Polizei in den vergangenen Jahrzehnten.

Zunächst hatten die Bauarbeiter fahrlässigerweise in Eigenregie mit der Bergung begonnen. Dies nahm ein abruptes Ende, als einer der Männer die Dämpfe einatmete und mit einer schweren Reizung der Atemwege zu kämpfen hatte. Er wurde später zur stationären Behandlung in das Klinikum Nord gefahren. Die Feuerwehr erkannte schnell, dass Spezialkräfte benötigt werden. So fuhren nicht nur die Wehren aus Tangstedt, Wilstedt und Norderstedt auf die Baustelle, sondern auch die Löschzüge für Gefahrgut aus den Kreisen Stormarn und Segeberg.

"Das war kein gewöhnlicher Einsatz für uns", sagte Gemeindewehrführer Rudolf Körner. "Schließlich wussten wir anfangs nicht, um welche Art von Flüssigkeit es sich handelt." Aus diesem Grund mussten alle Helfer große Vorsicht walten lassen und trotz rund 30 Grad Außentemperatur schwere, sogenannte Chemie-Schutzanzüge anlegen. Dies brachte viele der Helfer an die Grenze der Belastbarkeit, sodass die Teams nach kurzen Intervallen immer wieder gewechselt werden mussten.

All dies geschah am Nachmittag ab 15 Uhr. Viele Einwohner waren zu Hause, andere würden normalerweise in den kommenden Stunden dort eintreffen. Zu riskant, beschied jedoch die Einsatzleitung. Provisorisch wurden die Bürger gegen 17 Uhr in der Feuerwehrwache untergebracht, bekamen dort Getränke und mussten vorerst ausharren. Dazu sperrten Streifenpolizisten die anliegenden Straßenzüge weiträumig ab und leiteten den Verkehr um.

Kein Anrainer war indes wohl so direkt betroffen wie Klaus Meier. Der 69-Jährige wohnt im angrenzenden Mehrfamilienhaus an der Straße In de Hörn, zudem gehört ihm das benachbarte Grundstück. Sechs neue Einfamilienhäuser sind dort geplant, Wasserleitungen müssen dafür verlegt werden, eine Stichstraße entsteht. Früher unterhielt die Familie Meier ebenda noch einen Landwirtschaftsbetrieb; auch Klaus Meier war einst Bauer. Von etwaigen Fässern im Boden hat er allerdings nie etwas gehört.

"Das ist schwer nachvollziehbar, wer hier der Verursacher gewesen sein könnte. Die Leute, die das wissen müssten, sind alle schon lange tot", sagte er. Im Laufe des Abends stellte sich indes heraus, dass die Fässer wohl zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs oder kurz danach verklappt wurden. "Der Baggerfahrer hat sofort erkannt, dass es sich um 150-Liter-Fässer handelt, die es seit Jahrzehnten nicht mehr gibt", so Meier.

Die neben der Bergung wichtigste Aufgabe war, die Flüssigkeiten aus den Fässern bereits vor Ort in einem mobilen Labor zu analysieren. Die erste Erkenntnis: Es handelt sich vermutlich um alte, heutzutage längst nicht mehr fabrizierte Pflanzenschutzmittel. Außerdem wurden Rückstände von Rohöl gefunden. Eine ungesunde Mixtur, aber nicht derartig gefährlich, dass das Gebiet auch über Nacht evakuiert bleiben müsste. Während die Anwohner im Laufe des Abends wieder in ihre Häuser zurückkehren konnten, übernahm das Lübecker Unternehmen Possehl den Abtransport des Gefahrguts. Dass mittlerweile ein kräftiges Gewitter aufgezogen war und die Arbeiten in der Nacht bei Starkregen, Blitz und Donner durchgeführt werden mussten, erschwerte den Einsatz.

Die Wilstedter fragen sich nun, ob mehr als nur diese sechs Fässer unter ihren Grundstücken lagern. Die Firma Eggers wird mit einer Metallsonde zumindest das Areal gegenüber der Feuerwehr weiter auf Schadstoffe untersuchen. Noch ist nicht abschließend geklärt, ob der Boden wirklich kontaminiert ist.

Dass der Großeinsatz am Tage der Bürgermeisterwahl stattfand, sorgte unterdessen für ein Kuriosum. Am Nachmittag hatte sich zunächst Hans-Detlef Taube (FDP) vor Ort informiert, ehe er in das Rathaus im Ortsteil Tangstedt fuhr. Dort übergab er das Amt wenige Stunden später an den neu gewählten Holger Criwitz (SPD), der wiederum noch am selben Tag um 22.30 Uhr die Situation ebenfalls begutachtete.