Fast drei Monate Sperrung auf der Linie U 1 : Das Abendblatt macht den Test, wie der Ersatzverkehr läuft.

Norderstedt. "Ey, so'n Scheiß! Gibt's doch gar nicht!" Die U-Bahn hat den jungen Mann mit Baseballcap gerade auf dem Bahnsteig am Ochsenzoll ausgespuckt. Es gibt also tatsächlich noch Zeitgenossen, die die U-Bahnlinie 1 nutzen und nicht wissen, dass selbige seit Mittwoch und noch bis zum 27. August ("Betriebsschluss") zwischen Ochsenzoll und Langenhorn-Markt "aufgrund umfangreicher Brückenbauarbeiten" gesperrt und durch Busse ersetzt ist. Wer regelmäßig fährt, kennt diese Ankündigung über Lautsprecher. Sie ist das Mantra des Norderstedter Pendlers.

Nehmen Sie mich als Beispiel. Ich fahre täglich die Linie U 3 ab Sternschanze bis Kellinghusenstraße und die U 1 bis Norderstedt-Mitte und zurück. Und jedes Mal, wenn die Ansage in den vergangenen Wochen nervtötend und etwas zu laut aus den Lautsprechern der Waggons schepperte, machte ich mir Gedanken, welche Alternativen es zum zeitraubenden Ersatzverkehr gibt. Mit dem Auto? Jeden Tag Schanze-Norderstedt? Schlecht für die Nerven, schlecht für die CO2-Bilanz und samt Parkplatzsuche genauso langwierig. Fahrrad ab Langenhorn-Markt? Unpraktisch im Alltag, zeitraubend. Also dann eben Ersatzverkehr. 20 Minuten mehr als sonst soll ich einplanen, sagt die Hochbahn.

Ich nehme mir vor, gelassen zu bleiben. Am ersten Tag des Ersatzverkehrs am Mittwoch steige ich in den Expressbus Langenhorn-Markt. Der zischt zügig und ohne Zwischenhalt über die Langenhorner Chaussee nach Ochsenzoll. Dort muss ich zwar acht Minuten auf die Bahn nach Norderstedt-Mitte warten. Aber insgesamt war alles halb so wild. Hoffnung keimt.

Abends beim Rückweg wird sie jäh zerstört. Die Bahn hält. Aus nicht ganz erfindlichen Gründen hetzen die Leute im gestreckten Schritt den Ausgängen zu. Beim Bus wird mir klar, warum. Keiner will in der heiß gelaufenen Konservenbüchse stehen. Mir wird das Schicksal zuteil. Und dieses Mal zischt der Busfahrer nicht über die Langenhorner Chaussee. Dieser Ersatzverkehr-Bus stottert über den verkehrsberuhigten Stockflethweg mit seinen die Fahrbahn verengenden Parkbuchten. Ständig muss der Fahrer scharf bremsen, des Gegenverkehrs wegen, ständig dotzen ich und die anderen genervten Ersatzverkehrs-Opfer gegen die Buswände. Auf der Tangstedter Landstraße nimmt der Bus den Feierabendverkehr und mehrere Ampelphasen für Fußgänger mit. Als Langenhorn-Markt nach zwölf Minuten endlich in Sicht kommt, macht sich Erleichterung bei den angesäuerten Fahrgästen breit. Doch plötzlich zieht der Bus nach Links und biegt in die Straße Am Schulwald ein. Er landet danach auf dem Ring 2, dem Gehlengraben, im Stau vor der Kreuzung Langenhorn-Markt. Hier braten wir nun alle in unserem Saft und robben im Stop-and-go-Schritttempo auf die Haltestelle zu. Als die Bustür endlich aufspringt, waren wir 21 Minuten unterwegs.

Ein Mitarbeiter der Hochbahn erklärt mir, der Schlenker sei nötig, damit der Bus am Langenhorner Markt wieder in Fahrtrichtung zur Tangstedter Landstraße stünde. Drehen könne er dort nicht.

Ein netter Mann mit einem "i" auf der Neonweste informiert die Fahrgäste im Auftrag der Hochbahn. Er ist sehr nett. "Die Leute nehmen es insgesamt eigentlich ganz entspannt. Aber klar, gemeckert wird immer. Besonders morgens haben die Leute selten einen Clown gefrühstückt. Da bekommen wir schon mal was ab. Doch es gibt auch Lob, dass alles ganz gut klappt."

Ich sitze wieder in der U-Bahn. Der unwissende Typ mit der Baseballcap auch. Er telefoniert. "Ey, isch komm später, Digger, die baun hier die U-Bahn um und isch musste Bus. Ja, weiß auch nich, geht halt nich anders, Digger."

Ein besseres Fazit fällt mir jetzt auch nicht ein.