Täter hatten Gefäße mit brennbaren Flüssigkeiten vor die Eingangstür einer Wohnung gestellt und dann entzündet. Fünf Personen saßen in der Falle: zwei Frauen, ein 14-Jähriger und zwei Kinder im Alter von drei und fünf Jahren.

Kaltenkirchen. Das Absperrband der Polizei flattert lose im Wind, der Flur im zweiten Obergeschoss des Großen Karls ist komplett verrußt, die verbrannte Tür am Ende des Laubenganges ist stummer Zeuge. Was hier am Kaltenkirchener Flottmoorring vorgefallen ist, geht keinesfalls als Unfall oder dummer Streich durch, sondern war lebensgefährlich.

Ein oder mehrere bisher unbekannte Täter hatten kurz nach Mitternacht am Dienstag diverse Gefäße, darunter Blechdosen, mit brennbaren Flüssigkeiten gefüllt, vor die Eingangstür einer Wohnung gestellt und dann entzündet. Fünf Personen saßen in der Falle: zwei Frauen, ein 14-Jähriger und zwei Kinder im Alter von drei beziehungsweise fünf Jahren.

Nachbarn entdeckten die Flammen und alarmierten die Polizei

Sie hatten Glück, dass Nachbarn die Flammen bemerkten und um 0.42 Uhr Polizei sowie Feuerwehr alarmierten. Ein Streifenbeamter war binnen fünf Minuten als erster Helfer am Einsatzort, riskierte sein eigenes Leben, trat die Tür ein, weckte die schlafenden Bewohner und brachte diese gerade noch rechtzeitig in Sicherheit. Die Freiwillige Feuerwehr Kaltenkirchen traf um 0.49 Uhr ein. Insgesamt waren 50 Kräfte am Großen Karl mit vier Rettungswagen und zehn weiteren Einsatzfahrzeugen.

Die Frauen sowie die beiden Kinder erlitten Rauchvergiftungen. Auch der Polizist atmete den gesundheitsschädigenden Qualm ein und zog sich zudem Brandverletzungen an einer Hand zu. Ein Feuerwehrmann aus Kaltenkirchen erlitt trotz Schutzausrüstung ebenso Verbrennungen, als er einige der Gefäße zur Seite räumen wollte. Sie allen wurden nach Henstedt-Ulzburg in die Paracelsus-Klinik zur stationären Behandlung gefahren. An und in der Wohnung entstand ein Schaden von 10.000 Euro.

Die Kriminalpolizei aus Bad Segeberg sicherte Spuren und stellte die Brandutensilien sicher. Noch in der Nacht wurde damit begonnen, Anwohner zu befragen nach möglichen Beobachtungen oder Begebenheiten, die sich eventuell schon in den Tagen vor dem Brandanschlag zugetragen haben. Manche wollen beispielsweise eine dunkel gekleidete Person gesehen haben, die sich eilig vom Tatort entfernte. Ein Mann sagte: "Ich habe es zweimal knallen gehört, dann kam schon schnell nach wenigen Minuten die Feuerwehr." Zur Familie selbst sagten einige Nachbarn zwar, dass es nie Probleme gegeben hätte. Dennoch sollen die Betroffenen aufgrund früherer Vorfälle polizeibekannt sein. In der Wohnung lebte eine alleinstehende Mutter mit drei Kindern; der älteste Sohn ist ausgezogen. Oft übernachteten allerdings auch Freunde mit Kindern bei der Frau. Wo die Opfer nun kurzfristig unterkommen, ist unklar.

Generell nehmen die Menschen im Großen Karl selbst derartig dramatische Ereignisse eher gleichgültig zur Kenntnis. Sie sind genervt wegen des Trubels, aber unbesorgt über die eigene Sicherheit. "Ich habe wegen des Feuers nicht schlechter geschlafen als sonst", sagt eine Frau. Andere ließen sich sogar inmitten des Rettungs- und Löscheinsatzes per Taxi einen Kasten Bier für eine Privatparty liefern.

Bürgermeister hat die Immobilie zur Chefsache erklärt

In der Tat sind Brandstiftungen in dem berüchtigten Kaltenkirchener Hochhaus in den letzten Jahren regelmäßig vorgekommen. So wurden in einer Abstellkammer unter dem Dach oder sogar in einem der Fahrstühle Feuer gelegt.

Nach unzähligen Vorfällen und entsprechend zahlreichen Polizei- und Feuerwehreinsätzen hatte Kaltenkirchens Bürgermeister Hanno Krause nach seinem Amtsantritt die damals verwahrloste Immobilie zur Chefsache erklärt. Nicht zuletzt hatte die Bauaufsicht sogar mit einer Räumung gedroht. Die iranischstämmigen Investoren Eliram und Rahmatolla Rashti übernahmen das 13-stöckige Gebäude schließlich im Sommer 2012 vom früheren Eigentümer Gerd Thormählen für mehr als eine Million Euro.

Die neuen Besitzer versprachen eine grundlegende Sanierung

Damit einher gingen mehrere Versprechen der neuen Besitzer: sichere Mietverhältnisse, Behebung der eklatanten Sicherheitsmängel etwa im Brandschutz, eine neue Gasheizung und eine grundlegende Sanierung. So müssen zum Beispiel Außenwände und Treppenhäuser gestrichen, die Elektrik Schritt für Schritt modernisiert und die Fenster ausgetauscht werden. Die Maßnahmen begannen im November, werden aber voraussichtlich über vier Jahre dauern und mehrere Millionen Euro verschlingen.