Zwei Norderstedter halten das Patent auf “Wir sind das Volk“, die Stadt Leipzig legt Widerspruch dagegen ein. Die Stadt will erreichen, dass der Slogan künftig als Allgemeingut gilt.

Norderstedt. "Wir sind das Volk" heißt der Revolutionsruf, mit dem die Bürger der ehemaligen DDR 1989 für ihre Freiheit kämpften. Doch nun wird der Slogan Gegenstand eines Rechtsstreits: Zwei Norderstedter hatten sich den Ausspruch mit dem Zusatz "WSDV" patentrechtlich schützen lassen und nannten die von ihnen neu gegründete Partei "Wir sind das Volk WSDV". Die Stadt Leipzig, in der vor der Wende die Montagsdemonstrationen stattfanden, legt nun Widerspruch gegen den Markenschutz ein. Er soll heute über eine Anwaltskanzlei auf den Weg gebracht werden, sagte Stadtsprecher Matthias Hasberg.

Der Slogan soll Allgemeingut und nicht markenrechtlich geschützt sein

Damit wolle die Stadt erreichen, dass der Slogan künftig als Allgemeingut gilt und nicht mehr markenrechtlich geschützt ist. Die Patentinhaber aus Norderstedt sehen einer möglichen juristischen Auseinandersetzung gelassen entgegen: "Zum einen haben wir uns schon vorher mehrere Bild-Wort-Kombinationen, in denen ebenfalls der Ausspruch vorkommt, vom Patent- und Markenamt in München schützen lassen. Und da sind die Widerspruchsfristen abgelaufen", sagt Hassan Wilfried Siebert, Sprecher der Partei "Wir sind das Volk WSDV".

Zum anderen hätten sie den ursprünglichen Satz durch das Kürzel "WSDV" ergänzt, sodass es sich nicht mehr nur um den puren Freiheitsslogan handele.

Es gehe ihm und seinen Parteifreunden keinesfalls darum, den Leipzigern irgendetwas wegzunehmen oder einen Alleinanspruch auf den Revolutionsruf geltend zu machen. "Wir haben der Stadt unsere Zusammenarbeit angeboten und wollten die Feiern zu den Jahrestagen der Wiedervereinigung gemeinsam mit der Stadt ausrichten", sagt Siebert. Und Hans Müller, ebenfalls im Vorstand von WSDV, verweist darauf, dass der Ausspruch eng verknüpft sei mit der französischen Revolution. Die neue Partei mit Sitz in Norderstedt wolle genau da weitermachen, wo die Freiheitskämpfer der ehemaligen DDR aufgehört haben: "Das deutsche Volk muss darüber über die Souveränität und eine Verfassung abstimmen. Das aber ist bisher nicht geschehen", sagt Müller. Die WSDV geht davon aus, dass Deutschland kein souveräner Rechtsstaat ist, sondern sich immer noch im Besatzungszustand befinde. Diese "unzumutbare" Situation müsse durch eine Volksabstimmung endlich geändert werden. Als Grundlage könne das Grundgesetz dienen. Um dem Bürgerentscheid in großem Stil Nachdruck zu verleihen, will "Wir sind das Volk WSDV" offensiv dafür werben. "Das ist die wirtschaftliche Seite der Patente, die uns erlaubt, beispielsweise Bierdeckel, Aufkleber oder Kugelschreiber mit dem Slogan, der in entsprechende bildliche Symbole eingebettet ist, herzustellen", sagt Siebert, der zusammen mit seinen Parteifreunden die Merchandising-Produkte unters Volk bringen will und nicht ausschließt, langfristig damit auch Geld zu verdienen. Er widerspricht vehement den Etiketten, die seiner Partei angeheftet werden: "Wir sind weder Nazis, noch Rechtspopulisten, noch ausländerfeindlich", sagt der 56 Jahre alte Norderstedter, der sich und seine politischen Mitstreiter als deutsche Patriotin "im guten Sinne" bezeichnet. Kritiker sprechen da eher von "Deutschtümelei" und "deutsch nationalem Gedankengut". Wer in das Parteiprogramm von Wir sind das Volk WSDV guckt, findet allerdings durchaus ausländerfeindliche Aussagen.

Siebert ist in Norderstedt nicht ganz unbekannt. Immer wieder hat sich der 56-Jährige eingemischt, hat sich mehrfach sozial engagiert und beispielsweise für die Tagesaufenthaltsstätte eingesetzt. Er selbst weiß, wie es ist, wenn man am Boden liegt, war arbeits- und obdachlos und hat in den Obdachlosenunterkünften am Langenharmer Weg gelebt. Vor 20 Jahren ist der verheiratete Siebert zum Islam konvertiert. Er ist arbeitslos und zu 60 Prozent schwerbehindert.

Vor kurzem hatte die Stadt Leipzig die Rechte an der Wortmarke eingebüßt

Wie kam es zum Streit um den Slogan "Wir sind das Volk"? Erst vor kurzem hatte die Stadt Leipzig die Rechte an der Wortmarke eingebüßt. Inhaber der Marke waren bis dato neben der Stadt die DDR-Bürgerrechtler Uwe Schwabe sowie der frühere Nikolaikirchen-Pfarrer Christian Führer. Siebert und Müller nutzten die Chance, um sich die Rechte zu sichern.

Die WSDV ist in Norderstedt zur Kommunalwahl angetreten und bekam 0,3 Prozent der Stimmen. Ganze 65 Norderstedter haben ihr Kreuz hinter dem Parteinamen gemacht. Doch Siebert gibt sich damit nicht zufrieden. "Ich werde die Wahl anfechten", sagte er. Womit er eine Neuwahl in ganz Schleswig-Holstein erzwingen will, wollte er noch nicht verraten.