Eine Glosse von Alexandra Schulz

Mein Bruder heiratet bald, mein Vater fürchtet sich. Mit der Frau ist er ganz einverstanden, das Problem ist ihre Familie. Die ist zwar sehr nett, aber sie feiert gern groß, mit Champagner und Frack. Meine Familie feiert gar nicht gern. Der "andere Vater", so mein Vater, habe seine Meinung zur Vermählung bereits deutlich gemacht: Es komme nur ein Schloss als Örtlichkeit infrage. "Ich hoffe, dass ich bis dahin tot bin, sonst muss ich mir einen neuen Anzug kaufen", sagte mein Vater und fügte hinzu: "Deine Schwester hat sicher auch keine Lust, ein Abendkleid anzuziehen." Ich möchte wirklich kein Abendkleid tragen. Aber vor allem möchte ich keins kaufen.

Die Erinnerungen an ähnliche Unterfangen sind diffus. Für meinen Abi-Ball gab es nichts Passendes in meinem Schrank. Als ich einkaufen ging, stellte ich fest: Abendkleider glitzern. Immer. Ich glitzere nicht gern und habe deshalb auch kein Geld für ein glitzerndes Kleid ausgegeben. Die Folge: Ich saß als Einzige in einem schlichten schwarzen Kleid in einer Gruppe glitzernder Frauen. Meiner Mutter ging es ähnlich, sie trug als Einzige etwas Schlichtes, aber war wenigstens mit Schwarz nicht allein. Mein Vater kam nicht. Wie gesagt, die Familie feiert nicht gern.

Anlässlich der Hochzeit meines Bruders habe ich mir Gedanken gemacht: Ich trage einen Frack, und den Rest regelt der Champagner. Ohnehin, habe ich meinem Vater gesagt, geht es ja nicht um uns, sondern um die Hochzeit. Und da können wir uns hübsch anziehen, meine Güte. Ich habe dann meinen Bruder angerufen und gesagt, niemand stirbt, wir kommen ordentlich. "Ich will doch noch gar nicht heiraten", sagte mein Bruder, "das mit dem Schloss war theoretisch". Ach, so. Wir hören auch nicht gern zu.