Die Wählergemeinschaft WIN holt auf Anhieb drei Sitze in der Norderstedter Stadtvertretung und wird zum Mehrheitsbeschaffer. Einen Paukenschlag gab es im Wahllokal Glashütte-Süd.

Norderstedt. Die Wählergemeinschaft Wir in Norderstedt (WIN) trat erstmals zu einer Kommunalwahl an, holte auf Anhieb drei Sitze in der Norderstedter Stadtvertretung und wird hier nun ein entscheidendes Wort mitreden. "Wir sind das Zünglein an der Waage", sagte WIN-Chef Reimer Rathje, der die 7,3 Prozent mit seinen Mitstreitern im Bargespräch gleich neben dem Rathaus feierte. Ohne die WIN bringen weder CDU und FDP auf der einen, noch SPD, Grüne und Die Linke auf der anderen Seite eine Mehrheit zustande.

Die Ergebnisse der beiden großen Parteien scheinen seit Jahren zementiert, CDU wie SPD können auf ihre Stammwähler zählen, schaffen es aber offenbar nicht, neue Wähler für sich zu gewinnen. Die CDU kommt in der neuen Stadtvertretung auf 19 Sitze, gewinnt 19 der 20 Direktmandate und bestätigt exakt das Ergebnis der Kommunalwahl von 2008. Das gilt auch für die SPD, die erneut 14 Mandate erringt. Die Grünen holen sechs Sitze. Sie lösen inhaltlich die GALiN ab, die nicht wieder angetreten ist, und übernehmen quasi deren sechs Mandate. Die FDP verliert kräftig, stellt nur noch zwei Stadtvertreter statt wie bisher fünf. Auch Die Linke muss Federn lassen, die Zahl ihrer Mandate halbiert sich auf zwei.

Somit kommt der "Bürgerblock" aus CDU und FDP auf 21 Sitze, das "linke Lager" mit SPD, Grünen und Die Linke auf 22. Doch im Unterschied zur bisherigen Situation in der Stadtvertretung reicht eine Stimme nicht mehr für die Mehrheit. Durch Überhangmandate wächst das Kommunalparlament auf 46 Sitze, die WIN wird zum Mehrheitsbeschaffer und gibt sich da ganz offen. "Wir werden je nach Themenlage entscheiden", sagt WIN-Chef Rathje. Er und sein Team haben mit einem Thema gepunktet, das vor allem die Garstedter seit Langem ärgert und belastet: dem Fluglärm. Die Wählergemeinschaft will sich dafür einsetzen, dass die Starts und Landungen gerechter zwischen Hamburg und dem Umland verteilt werden. Bisher tragen die Menschen in Norderstedt, Quickborn, Henstedt-Ulzburg, Hasloh und Ellerau den Löwenanteil der Lärmbelastungen.

Seit Jahrzehnten kämpfen die Stadt Norderstedt und Bürgerinitiativen gegen die einseitige Lastenverteilung - vergeblich. Der Einfluss ist gering, auch das Land Schleswig-Holstein hat nach dem Verkauf seiner Anteile kein Druckmittel mehr. "Die bisherigen Versuche waren halbherzig. Wir wollen jetzt mal richtig Druck in Kiel machen", sagt WIN-Vorstand Klaus-Peter Schulz. Außerdem wollen die Neulinge die Bürger besser informieren und beteiligen. Zwar hat die WIN auch in Glashütte Stimmen bekommen, die meisten gab es aber in Garstedt, der WIN-Keimzelle: In den Wahllokalen in der Grundschule Niendorfer Straße und Gottfried-Keller-Straße holte Reimer Rathje 23,9 und 21,7 Prozent.

Einen Paukenschlag gab es im Wahllokal Glashütte-Süd. Dort unterlag der amtierende Fraktionschef der CDU, Gert Leiteritz, der langjährigen SPD-Stadtvertreterin Sybille Hahn, die damit das einzige Direktmandat der SPD in Norderstedt holte. Leiteritz: "Ich hatte nicht damit gerechnet, in diesem Wahlkreis zu gewinnen." Ob er in der Fraktion noch eine Rolle spielen wird, ist nun fraglich. "Mal sehen, ob man mich in den Ausschüssen gebrauchen kann. Ansonsten habe ich eben Pech gehabt", sagt Leiteritz.

Weitere bemerkenswerte Einzelergebnisse gab es im Wahllokal Grundschule Lütjenmoor. Dort traten der ehemalige CDU-Fraktionschef Günther Nicolai und die SPD-Ortsvorsitzende Katrin Fedrowitz gegeneinander an. Nicolai ließ Fedrowitz mit 36,8 Prozent zu 31,6 Prozent der Stimmen klar hinter sich. Zum Duell Petra Müller-Schönemann (CDU) gegen SPD-Fraktionschef Jürgen Lange kam es in den Wahllokalen Rathaus-Bücherei und Gemeinschaftsschule Harksheide. Die CDU-Frau setzte sich klar durch (42,4 und 43 Prozent gegen 27,4 und 31,9 Prozent).

Die Stimmung auf den Wahlpartys der übrigen Parteien war nicht immer so gut wie bei WIN. SPD-Chefin Katrin Fedrowitz stellte sich nach Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses vor die Genossen, die sich im Tafelraum des Meilenstein am Rathaus versammelt hatten. "Ich bin ehrlich enttäuscht von dieser Wahl. Ich dachte, wir hätten mehr Bürger von unserer Politik überzeugt. Das ist uns nicht gelungen." Die SPD wollte stärkste Fraktion werden und damit die CDU nach Jahren ablösen. "Jetzt müssen wir eben weiter Politik aus der zweiten Reihe machen", schloss Fedrowitz, ehe sich die Party dann zügig auflöste.

Die Grünen feierten bei Antipasti und Sekt im Lenci's Drinx. Katrin Schmieder: "Ich bin total glücklich. 13,7 Prozent, das Landtagsergebnis noch getoppt!" Schmieder verspricht, frischen Wind in die Stadtvertretung zu bringen. "Wir sind nicht eingefahren, müssen nicht Seilschaften bedienen, sondern entscheiden je nach Sachlage. Auch mit der CDU haben wir keine Berührungsängste. Wir sehen die Chance, dass sich etwas ändert in dieser Stadt."

Miro Berbig, Stadtvertreter für die Fraktion Die Linke ist froh, dass er mit 4,3 Prozent den Fraktionsstatus knapp erreicht hat: "Der Bundestrend ließ mehr nicht zu. Immerhin habe ich im Land noch kein besseres Ergebnis bei den Linken gefunden."

"Mit dem Ergebnis können wir nicht zufrieden sein", sagte FDP-Chefin und Spitzenkandidatin Gabriele Heyer. 5,9 Prozent haben die Liberalen im Vergleich zur Wahl 2008 verloren. Die WIN habe Stimmen abgezogen, der Bundestrend sei nicht förderlich, und die Norderstedter FDP habe es nicht geschafft, den Bürgern zu vermitteln, was sie in den letzten Jahren erreicht habe. Heyer und Fraktionschef Klaus-Peter Schroeder werden nun für die Politik der Liberalen in der Stadtvertretung stehen.

Gelassen und routiniert nahm die CDU das Wahlergebnis zur Kenntnis. "Ein Prozent mehr als 2008, damit können wir zufrieden sein", sagte Gert Leiteritz, Fraktionschef bis zum heutigen Dienstag. Am Abend will die Fraktion einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin wählen. Als stärkste Kraft hat sie auch das Recht, die Stadtpräsidentin zu stellen. Und da wird die Union sehr wahrscheinlich Amtsinhaberin Kathrin Oehme ins Rennen schicken.