Der legendäre Jazzer erhält den Echo am Donnerstag in der Hamburger Fischauktionshalle. Janin Reinhardt und Till Brönner werden ihm den Preis überreichen.

Henstedt-Ulzburg . Wenn er die Schlägel zur Hand nimmt, verschmitzt grinst und die ersten Töne aus seinem Vibrafon holt, ist das Publikum wie elektrisiert. Wolfgang Schlüter gilt als Ausnahme-Musiker, kaum jemand beherrscht das Vibrafon, dieses Instrument mit den vielen Klangplatten, so virtuos wie er, kaum jemand spielt es so individuell wie er. Niemand hat ihm den ersten Platz als Jazz-Vibrafonist je streitig gemacht - und das europaweit.

Viele Preise und Ehrungen erhielt er für sein grandioses Spiel, am Donnerstag, 23. Mai, folgt die Gala-Auszeichnung. Wolfgang Schlüter wird für sein Album "Visionen" mit dem Jazz Echo ausgezeichnet. Die Preis-Verleihung beginnt um 20.30 Uhr in der Hamburger Fischauktionshalle.

"Ich freue mich sehr über den Echo", sagt Wolfgang Schlüter über die Preisverleihung, zumal ihm seine jungen Kollegen Janin Reinhardt und Till Brönner den Preis überreichen. Brönner jazzte im März erfolgreich das Norderstedter Kulturwerk. Doch Schlüter wäre nicht Schlüter, wenn ihm für den Aufwand der Preisverleihung nicht gleich eine andere Verwendung einfiele. "Die Preis-Verleihung kostet die Stadt Hamburg 100.000 Euro, damit könnte so mancher kleine Jazz-Club gerettet werden", sagt der emeritierte Professor für Jazz an der Hamburger Musikhochschule, und meint unter anderem Hamburgs angesagtesten Jazzclub, das Birdland an der Gärtnerstraße, in dem am 30. Juni für immer die Lichter ausgehen. Schlüter sorgt sich intensiv um den Jazz-Nachwuchs und darum, ihnen eine Bühne zu geben.

"Den Echo verdanke ich auch meinen drei Begleitern vom Hammer Klavier Trio. Ohne sie hätte ich längst aufgehört", sagt Schlüter über seine ehemaligen Studenten Pianist Boris Netsvetaev, Bassist Philipp Steen und Schlagzeuger Kai Bussenius, mit denen er als Quartett "Four Colours" spielt.

Seit 1952 steht der Musiker, der seit 30 Jahren in Henstedt-Ulzburg lebt, am Vibrafon. Studiert hat Schlüter Pauke und Schlagzeug, doch eine Knie-Verletzung beendete seine Karriere als Solo-Paukist. Zur gleichen Zeit besuchte er ein Konzert mit Lionel Hampton im Berliner Sportpalast. Der berühmte Musiker holte 1930 als Erster das Vibrafon zum Jazz.

Schlüter war fasziniert von der Kombination. 1956 startete er seine Jazz-Karriere im legendären Hamburger Jazzclub Barrett in den Colonnaden mit Pianist Michael Naura und seinem Quintett. Schlüter hatte die Pauke mit dem Vibrafon getauscht, den Ruf zum ersten Schlagzeuger beim Rundfunkorchester in Dublin ignoriert und wollte nur noch eines - jazzen. "Er rast über sein Instrument wie eine verrückte Spinne" sagte Naura.

Nach dem legendären Konzert mit Naura im Barrett hatte Schlüter seinen Ruf als talentierter Vibrafonist weg. Seine Leidenschaft für den Jazz, seine Virtuosität auf dem Teewagen sind glaubwürdig und direkt. Er hat seine Musik verinnerlicht, sie kommt aus seiner Seele und seinem Herzen, wenn der Mann mit dem weißen Bart und dem sanften Lächeln die Schlägel auf die Tonplatten sausen lässt, so traumwandlerisch zielsicher und schnell, dass sie nicht mehr erkennbar sind.

Am 12. November feiert Wolfgang Schlüter seinen 80. Geburtstag, im September erscheint seine Biografie "A One, A Two, A Three, A Four - Die Höhen und Tiefen eines Musikerlebens" bei Book on Demands in Norderstedt. "Ich verlege das Buch selbst, dann bin ich von den Verlagen unabhängig", sagt der vielseitige Künstler.

Höhen gab es in seinem 60 Jahre langen Musikerleben viele, darunter 2001 die Auszeichnung mit dem Deutschen Jazzpreis. 2010 erhielt er den Kulturpreis Henstedt-Ulzburg. Die Verleihung mit dem Jazz Echo ist der - vorläufige - Höhepunkt.

Doch es gab auch Tiefpunkte. 2004 erlitt er einen Augeninfarkt, seine Ehefrau Karin starb nach einem Autounfall. Dunkel wurde es um Wolfgang Schlüter, doch seine Liebe zum Jazz bewahrte ihn vor dem Aufgeben. Täglich geht er in den Keller seines Hauses und spielt Vibrafon. "Seit ich nur bedingt sehe, habe ich ein noch intensiveres Gefühl für mein Instrument entwickelt und spiele bewusster", sagt Schlüter.

Konzerte

Die Echo-Preisverleihung ist am Donnerstag, 23. Mai, von 20.30 Uhr an als Livestream auf www.ndr.de zu sehen. Am 25. Mai, wird sie ab 22.05 Uhr auf NDR Info gesendet und ab 23.20 Uhr im NDR-Fernsehen.

Am Sonnabend, 10. August, 20 Uhr, präsentiert Wolfgang Schlüter mit seinem Quartett "Four Colours" sein Sieger-Album "Visionen" in der Vicelin-Schalom-Kirche am Immenhorst 3 in Norderstedt. Eintritt 15 Euro, bis 18 Jahre Eintritt frei. Vorverkauf unter Telefon 040/94 36 680 oder unter buero@vicelin-schalom.de per E-Mail.

Am 27. September spielt Wolfgang Schlüter in der Kulturkate am Beckersberg in Henstedt-Ulzburg und stellt seine Biografie vor.

Am 12. November spielt die NDR Bigband zu Wolfgang Schlüters 80. Geburtstag im Kulturwerk, Am Kulturwerk 1, in Norderstedt.