Chaverim feiert 15-jähriges Bestehen. Der Verein will die unheilvolle Geschichte, die Deutschland und Israel miteinander verbindet, im Gedächtnis der Menschen bewahren.

Aus dem Projekt "Sich kennen und verstehen lernen" von Sigrid Krüger, Oberstudienrätin am Gymnasium Harksheide, ist ein bekanntes ehrenamtliches Engagement in Norderstedt entstanden. Als Sigrid Krüger mit einer Jugendgruppe israelische Jugendliche in einem Kibbuz und arabische Jugendliche in einem benachbarten Dorf besuchte, begleitete sie Heike Linde-Lembke. Mit dem Judaistik-Professor Dr. Alexander Yehuda Schwarz entwickelten sie die Idee, einen Verein zu gründen, um die guten Seiten Israels, seine Kultur und Wissenschaft, seine Natur und Geschichte in Deutschland bekannt zu machen.

Der Verein möchte das Miteinander von Israelis und Deutschen, von Juden, Christen und Muslimen stärken und die unheilvolle Geschichte, die Deutschland und Israel verbindet, im Gedächtnis der Menschen bewahren.

Chaverim gründete sich zum 50. Jahrestag Israels am 14. Mai 1998 in der Vicelin-Schalom-Kirche und kann jetzt seinen 15. Geburtstag feiern. Am heutigen Dienstag gibt der Verein von 18.30 Uhr an im Norderstedter Kulturwerk, Am Kulturwerk 1, ein Jubiläums-Konzert. "Nigunim - auf der Suche nach der Authentizität im israelischen Lied" lautet das Programm mit Bassbariton Assaf Levitin und Pianist Jonathan Aner.

Dass Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote und Emmanuel Nahshon, Gesandter der Botschaft des Staates Israel in Berlin, bei dem Konzert dabei sind, ist kein Wunder - Israel feiert in diesem Jahr seinen 65. Unabhängigkeitstag. Dass Israel so lange existieren würde, war bei der Gründung keineswegs abzusehen, und noch heute ist der Alltag für Israel und seine Bürger alles andere als einfach und gewöhnlich.

"Israel ist ein kleines, aber sehr vielseitiges und kulturell reiches Land", sagt Ayala Nagel, nach Heike Linde-Lembke jetzt erste Vorsitzende des Vereins Chaverim. Mit Hans-Christoph Plümer, zweiter Vorsitzender, und den Vereinsmitgliedern versucht die Israelin, den Menschen in Norderstedt und Umgebung den kulturellen Reichtum ihres Geburtslandes näher zu bringen - auch um Vorurteile abzubauen. "Es ist heutzutage leider so, dass viele Menschen Israel als Störenfried im Nahen Osten bezeichnen, das Land als Gefahr für den Weltfrieden bezeichnen", sagt Plümer. Vor allem in der linken Szene in Deutschland gebe es einen latenten Antisemitismus. Da werde Solidarität mit den Palästinensern eingefordert und dabei schnell die Existenzberechtigung Israels infrage gestellt. "Das darf aber nicht geschehen. Man muss sich gegenseitig respektieren", sagt Plümer. Es sei falsch, alles zu generalisieren - gerade bei einem so sensiblen Thema wie dem Staat Israel.

Der Verein betreut die KZ-Gedenkstätte Wittmoor in Norderstedt

"Doch auch in Israel gibt es Menschen, die denken, dass über Deutschland immer noch eine dunkle Wolke schwebt, dass es hier keine guten Menschen gibt", sagt Ayala Nagel. "Und dagegen arbeiten wir mit unseren Veranstaltungen wie Konzerte, Ausstellungen und Reisen an", sagt die gebürtige Israelin. Vorurteile zu bekämpfen und den Menschen die Augen zu öffnen, das klappe am besten, wenn die Menschen die Kultur des jeweils anderen kennenlernen und als Bereicherung für das eigene Leben empfinden. "Es ist ja schon etwas kurios. Viele Menschen haben gegen gewisse Länder Vorurteile, nicht nur gegen Israel. Aber die Landschaften am Mittelmeer, die Musik, das Essen, das finden sie dann doch gut", sagt Hans-Christoph Plümer.

Daher habe der Verein seit seiner Gründung am 14. Mai 1998 beständig den Kulturaustausch zwischen Deutschen und Israelis als Brücke gefördert. "Der Verein macht viel für unsere Stadt. Etwa die Betreuung der KZ-Gedenkstätte Wittmoor", sagt Norderstedts Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote. Es gebe eine hohe Einbindung des Vereins in die Norderstedter Kulturlandschaft. Doch die Mitglieder würden auch wissen, welche Verantwortung damit einher geht. Eine Brücke zu Israel bildet beispielsweise der Norderstedt-Wald im Wald der deutschen Länder an der Negev-Wüste, der am 1. März 2012 unter der Schirmherrschaft Grotes mit Stadtpräsidentin Kathrin Oehme, Stadtrat Jürgen Lange und Ehefrau Ute Lange und vielen Norderstedtern eingeweiht wurde.

"Die Zeugen aus der Zeit des Dritten Reiches sind bald nicht mehr unter uns. Das macht die Arbeit, das Gedenken an die NS-Verbrechen an den Juden aufrecht zu erhalten, kompliziert. In vielen Familien gibt es keine direkte Betroffenheit mehr", sagt Ayala Nagel. Dennoch: Die Geschichte lebe auch bei den Jüngeren in unterschiedlicher Art weiter, wie viele Projekte an den Schulen zeigen würden.

"Es ist unbestritten, dass bei vielen Jüngeren die Erinnerung verblasst. Das hängt aber auch damit zusammen, dass unsere Gesellschaft multikultureller wird. Viele Migranten und Kinder von Migranten haben oftmals kaum einen Bezug zum Holocaust. Den müssen sie sich erst erarbeiten", sagt Plümer, auch Pastor an der Emmaus-Kirchengemeinde in Norderstedt. Dabei seien Vereine wie Chaverim hilfreich. Denn sie würden über den Holocaust informieren und antisemitische Vorurteile bekämpfen, ob sie nun bei Christen, Muslimen oder Menschen, die keiner Religion angehören, vorhanden sind. "Die Menschen aufzuklären, ist eine große Aufgabe für uns und für alle jüdischen Kulturvereine und Gemeinden in Deutschland", sagt Plümer. Chaverim halte daher mit anderen Vereinen und jüdischen Gemeinden Kontakt. "Wir sind mit den liberalen jüdischen Gemeinden in Elmshorn, Pinneberg, Bad Segeberg und Hamburg ebenso im Gespräch wie mit den orthodoxen Gemeinden", sagt Nagel.

Am 5. Oktober beginnt eine zehntägige Exkursion durch das moderne Israel

Auch nach Israel hält der Verein Kontakt. Wichtig hierfür sind unter anderem die Reisen, die der Verein veranstaltet. Tel Aviv, Jerusalem, das Tote Meer, die Golan-Höhen und Kibbuzim stehen auf dem Programm. "Die Menschen interessieren sich für dieses vielfältige Land, und wir geben ihnen die Möglichkeit, es zu erkunden", sagt die Vereinsvorsitzende. Unterstützt wird der Verein von der Volkshochschule. Die VHS und Chaverim starten in diesem Jahr erstmals gemeinsam eine Reise in das für drei Weltreligionen heilige Land. Am 5. Oktober beginnt die zehntägige Exkursion zu sozialen, ökologischen und landwirtschaftlichen Projekten des modernen Israel. Die mehrere tausend Jahre alte Kulturgeschichte der Region zwischen Mittelmeer und Jordan, Rotem Meer und dem Berg Hermon wird berücksichtigt, inklusive geschichtsträchtiger Orte wie der antiken Festung Massada (Information und Anmeldung zur Reise gibt es bei Ayala Nagel unter ayala.nagel@wtnet.de per E-Mail).

Doch nicht nur die Reisen sind für den Verein ein wichtiges Element, um das Verständnis füreinander zu stärken. Wichtig ist für Plümer und Nagel die regelmäßige Arbeit vor Ort wie etwa die Pflege des Bustan, des biblischen Wein- und Obstgartens im Stadtpark.

Die Pflege der KZ-Gedenkstätte Wittmoor gehört ebenfalls zur Arbeit des Kulturvereins. Seit 1998 pflegt der Verein in Zusammenarbeit mit der Stadt die Gedenkstätte am Fuchsmoorweg, die am 10. April 1933 als eines der ersten Konzentrationslager eingerichtet wurde. Auch wenn das KZ im Oktober 1933 wieder geschlossen wurde und die knapp 140 Häftlinge in das Fuhlsbütteler KZ verlegt wurden, das Andenken an diese Zeit dürfe nicht vergessen werden. Der Verein werde daher weiterhin alles tun, damit die Menschen die Taten der Nazis nicht vergessen, sagt Nagel. Norderstedt sei hier auf einem guten Weg. "Die Menschen unterstützen unsere Arbeit, die Stadt hat zum Glück kein Nazi-Problem", sagt Plümer.

Nächsten Montag: die Schützengilde Beckersberg. Alle Folgen unserer Serie finden Sie hier:

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