Die Experten helfen Eltern beim Umgang mit ihren Kindern und bieten im aktuellen Programm mehr als 600 Kurse. “Es geht oft darum, die Eltern von zu hohen Erwartungen zurückzuholen.“

Norderstedt. Das Baby sitzt vor einem Berg an Spielzeug. Es hupt und blinkt, doch der elf Monate alte Junge regt sich nicht, ignoriert den Haufen, der doch Körper und Kopf in Bewegung bringen soll. "Die Eltern waren ratlos. Wie so viele andere hatten sie es gut gemeint und ihrem Kind jede Menge Spielsachen gekauft, ganz moderne und technisch aufwendige. Doch damit überfordern sie ihre Kinder oft", sagt Elisabeth Wesche von den Frühen Hilfen in Norderstedt. Die Eltern hatten sich an sie gewandt, sie kam ins Haus, schob den gesamten Spielzeugberg zur Seite und drückte dem Baby einen Kochlöffel und die Pappe einer Klopapier-Rolle in die Hand. Der Lütte strahlte und probierte sofort aus, was sich mit den beiden so ganz altmodischen und einfachen Utensilien anstellen lässt.

Die Mitarbeiterinnen der Frühen Hilfen haben 123 Hausbesuche absolviert

Hausbesuche gehören zum Arbeitsalltag der Frühen Hilfen. Die Einrichtung, die bei der Evangelischen Familienbildung in Norderstedt angesiedelt ist und seit fünf Jahren existiert, hilft Eltern beim Umgang mit ihren Kindern. "Wir wollen dazu beitragen, dass sich die Kinder optimal entwickeln und die Beziehung zwischen Eltern und Kindern festigen. Das ist der Sockel für ein gutes Sozialverhalten in späteren Jahren", sagt Elisabeth Wesche - ein Angebot, das gebraucht und angenommen wird. Im vorigen Jahr haben die neun Mitarbeiterinnen 123 Hausbesuche absolviert und 130 Beratungsgespräche geführt. Die Hilfe ist vielfältig: Da ist die Schwangere, vom Partner verlassen, die hilflos vor einem Wust an Formalitäten steht und eine Wohnung braucht, da ist eine junge Frau, die in der 15. Woche schwanger ist und zur Familienberatung Pro Familia geschickt wird. Da ist die Alleinerziehende, die meint, ihr Kind langweilt sich und wird nicht ausreichend gefördert, und da sind Eltern, die mangels Zeit und Wissen nicht frisch kochen können oder wollen. "Tod der Dosensuppe", heißt das Kontrastprogramm zu Fast Food und Fertiggerichten, in dem Mütter und Väter lernen, wie sie gesunde Kost mit wenig Zeit und Geld auf den Tisch bringen können.

"Es geht oft darum, die Eltern von zu hohen Erwartungen zurückzuholen auf die ganz alltäglichen Dinge und sie dazu zu bringen, den Blick auf das eigene Kind zu richten, sich nicht von anderen oder vermeintlichen gesellschaftlichen Zwängen beeinflussen zu lassen", sagt Elisabeth Wesche. Ziel ihrer Arbeit ist auch, frühzeitig zu erkennen, wenn Kinder gefährdet sind, drohen zu verwahrlosen. Die Frühen Hilfen seien oft erster Ansprechpartner, die Hemmschwelle sei niedriger als bei öffentlichen Institutionen wie dem Jugendamt, mit dem Elisabeth Wesche und ihr Team gut zusammenarbeiten.

Die Angebote der Familienbildung folgen dem gesellschaftlichen Wandel. Die Großfamilie hat sich längst überlebt, Oma und Opa wohnen oft woanders, die Ein-Kind-Familie oder bunte, nach Trennungen und Scheidungen neu zusammengewürfelte Familienbilder sind die Regel. "Heute fordern Eltern Zeit für sich. Doch persönliche Freizeit, ein Beruf, der immer stärker fordert, und die Familie sind nur schwer unter einen Hut zu bringen", sagt Birgit Harpering, Leiterin der Familienbildung. Alles wollen, aber nicht können, führe zu Unzufriedenheit und einem ständig schlechten Gewissen. Deswegen gibt es im neuen Programm der Familienbildung viele Kurse, in denen Eltern und Kinder gemeinsam Freizeit erleben. "Und wir gehen viel in die Natur, machen Rallyes, messen den Umfang von Bäumen, bauen Insektenhotels, zeigen ganz bewusst auf einen Schmetterling", sagt Angelika Franz, die mit Birgit Harpering die Geschäfte führt.

Männer brauchen Zeit und Raum für sich und ihre Hobbys

Dabei bleibt die Väterarbeit ein Schwerpunkt. Männer brauchten Raum und Zeit für sich und ihre Kinder. Mit Papa den Spielplatz erobern, kochen und werkeln - dazu gibt es im neuen Programmheft Angebote. "Wenn Väter ganz intensiv Zeit mit ihren Kindern verbracht haben, bleibt Freiraum für eigene Interessen", sagt Angelika Franz. Und so ganz nebenbei tauschen sich die Väter mit anderen aus, erleben ihren Alltag nicht als Einzelschicksal, freunden sich vielleicht sogar an.

Weiterer Trend ist die Unverbindlichkeit. "Viele wollen oder können nicht einmal pro Woche einen Kursus besuchen, kommen aber gern in unsere offenen Gruppen", sagt Birgit Harpering. Und die Familienbildung will sich noch weiter öffnen, zum Familien-Zentrum werden, wo sich Eltern mit und ohne Kinder treffen und beraten lassen können. "Das Netz mit anderen Einrichtungen ist gesponnen. Ich kann mir beispielsweise vorstellen, dass die Schuldnerberatung regelmäßig Sprechstunden bei uns abhält", sagt die Leiterin, die allerdings mit Raummangel zu kämpfen hat.

Familienbildung hat zu wenig Platz und braucht dringend neue Räume

Im Kirchenzentrum am Falkenberg drängen sich neben der Familienbildungsstätte mit den Projekten wellcome und Frühe Hilfen die Tagespflege, die Erziehungsberatung, das Kita-Café, die Jugendlichen in der Teestube, die Pflege-Diakonie und die Kirchengemeinde samt Kita und Seniorenarbeit. "Wir suchen dringend Räume in der Umgebung", sagt Birgit Harpering, die aber noch in den angestammten Räumen in die neue Kurssasison gestartet ist. 120 Dozenten bieten mehr als 600 Kurse. Die Programme gibt es bei der Familienbildung, Kirchenplatz1, und per E-Mail unter info@fbs-norderstedt.de. Die Angebote stehen auch im Internet.

Online: www.fbs-norderstedt.de