150 Kühe freuen sich beim Weideaustrieb beim Öko-Milchbauern Sönke Meier auf eine lange Open-Air-Saison

Tangstedt. Flocke hat sich schon früh einen der besten Plätze gesichert. Kornblume und Moskau haben es in diesem Jahr sogar bis ganz nach vorn geschafft. Bedrängt von den anderen Schwarzbunten stehen sie direkt am Metalltor - die Poleposition in die Freiheit. Die Milchkühe und die beiden Bullen Peter und Paul können es kaum noch erwarten, bis sie den Stall verlassen können und die grüne Wiese nebenan erobern dürfen. Sie stoßen mit den Köpfen gegen das Tor, drängeln und erledigen vor lauter Aufregung ein tierisches Geschäft nach dem nächsten.

Das Spektakel auf dem Hof von Sönke Meier in Tangstedt spielt sich in jedem Frühjahr ab: 150 Kühe dürfen auf einen Schlag den Stall verlassen und Frühling und Sommer in Freiheit genießen. Der Austrieb beim Bio-Milchbauer dürfte der größte seiner Art in der Region sein. "Die meisten Tiere kennen das schon und wissen genau, was passiert", sagt Meier. Die anderen drängeln sich unwissend, aber solidarisch nach vorn und pinkeln einfach mit.

Und dann geht das Tor auf. Kornblume und Moskau rennen vorneweg, Flocke kommt ebenfalls in Fahrt. Der Weg ins Grüne ist kurz und führt über einen zehn Meter langen eingezäunten Weg dorthin, wo das Gras so lecker in der Frühlingssonne leuchtet.

Kühe genießen ihre Freiheit. Die Tiere springen und drehen sich. Der Kies am Eingang zur Wiese spritzt. Es wird gemuht, was das Kuhmaul hergibt. Die Bullen Peter und Paul sind unterdessen damit beschäftigt zu klären, wer in dieser Openair-Saison zwischen Zaun und Alster der Chef ist. Die Rangelei mit gesenkten Köpfen endet anscheinend mit einem Waffenstillstand, auf dem neuen Zuhause von Flocke und Co. kehrt familiärer Frieden ein.

"Unsere Kühe kommen grundsätzlich auf die Wiese", sagt Sönke Meier. "Das ist gut für die Milch." Dieses Jahr sind die Tiere und er allerdings spät dran. Der hartnäckige Winter verzögerte den Massenexodus ins Grüne um drei Wochen. "Das hat viel Gülle gebracht und viel Futter gekostet", sagt Meier.

"Frühlingsmilch" heißt sein Saisonprodukt, das für die Region produziert wird. Das Wasser fließt von seinen Wiesen nach Hamburg, dorthin landen auch die meisten Tüten der Meierschen Milch. 3500 Liter geben seine Kühe pro Tag. Die Milch wird nicht homogenisiert, sondern nur pasteurisiert. Daher kommen lange Transporte ohnehin nicht infrage. Auf dem Hamburger Kirchentag wollen Meier und seine Familie ihre Frühlingsmilch im Gläsernen Restaurant verkaufen. Dort gibt es nur Speisen aus saisonalen, regionalen, ökologisch angebauten und fair gehandelten Lebensmitteln.

Meier führt den Hof in vierter Generation. Seit 1910 betreibt die Familie Landwirtschaft, 1990 verlegte sie den Hof aus der Dorfmitte an den Rand in Richtung Wakendorf II. Von drei Bauern übernahm Meier Wiesen und Tiere. Bio-Milchbauer ist er seit 1996. Im Oktober 2009 zerstörte ein Feuer eine Halle, der Schaden ging in die Hunderttausende. Doch es hätte schlimmer ausgehen können: Gemeinsam mit der Feuerwehr brachte die Familie alle Tiere in Sicherheit.

Zwei Jahre später die nächste Krise: Die Milchpreise gehen in den Keller. In ganz Europa protestieren die Bauern, weil die Kosten pro Liter höher sind als der Erlös. Sönke Meier entschließt sich, mit vier Kollegen einen eigenen Weg zu gehen. Im Februar 2011 gründet er mit Heino Dwinger aus Schmalfeld, Hans Möller aus Lentföhrden und zwei Bauern aus dem Kreis Pinneberg die Öko-Melkburen GmbH. Die Kühe der fünf Betriebe geben pro Jahr drei Millionen Liter Milch, die die Bauern selbst vermarkten. Auch eine Marketingidee haben sie gefunden: die Jahreszeiten-Milch. Je nach Wetter und Futter ändert sich die Zusammensetzung der Milch. Derzeit stehen die Tüten mit der Aufschrift Frühlingsmilch in den Regalen von Öko-Geschäften und beim Gut Wulksfelde, demnächst folgt die Sommermilch. "Das ist einzigartig auf dem Markt", sagt Andrea Ferber, die als Kundenberaterin für die De Öko Melkburen unterwegs ist.

Die Umrisse der schönen Flocke zieren jede Tüte, die die Meierei verlässt. Davon weiß das vierbeinige Model nichts. Sie genießt den Frühling unter freiem Himmel und verschenkt leckere Milch. Erst im Oktober muss sie gemeinsam mit Peter, Paul und den anderen Mädels zurück in den Stall.