Noch bis Donnerstag erfasst der technisch hoch gerüstete Mercedes Sprinter Gullys, Schilder, Schlaglöcher, Mülleimer und Bänke in Norderstedt

Norderstedt. Zwei Sieldeckel, eine große weiße 30 auf der Fahrbahn, wieder Sieldeckel im Doppelpack, links eine Bank und ein Poller, rechts eine Reiterin, die ihr Pferd am Straßenrand entlangführt - und nichts zu suchen hat im Sortiment der Objekte, die "Eagle Eye" filmt. Der Mercedes Sprinter ist voll gepackt mit moderner Technik. Zwölf hoch auflösende Kameras halten jedes Fleckchen Straße im Bild fest.

Das "Adlerauge" ist im Auftrag der Verwaltung auf den Norderstedter Straßen unterwegs, die eagle eye technologie GmbH übernimmt die Inventur des öffentlichen Raumes. "Für die Eröffnungsbilanz nach dem neuen Haushalts- und Rechnungswesen, der Doppik, müssen wir genau wissen, welche Werte in der Stadt vorhanden sind", sagt Rathaussprecher Hauke Borchardt. Und dazu zählen nicht nur Gebäude wie Schulen und Kitas, sondern eben auch alles Straßenlaternen, Ampeln und Gullys.

Menschen gehören nicht zur digitalen Bestandsaufnahme, Tiere auch nicht - und schon gar nicht Immobilen und Fahrzeuge. "Was wir jetzt hier erfassen lassen, hat mit den Kamerawagen von Google nichts zu tun. Sollte zufällig mal jemand in den Bildern auftauchen, ist der Datenschutz in jedem Fall gewährleistet", sagt Borchardt. Die Vermessungsdaten sind nur für den internen Gebrauch bestimmt. Die Bilder würden nicht veröffentlicht und nur an wenigen ausgewählten Arbeitsplätzen verwendet. "Und wenn wir beispielsweise im Fachausschuss doch mal ein Bild mit einem Passanten zeigen, wird der natürlich unkenntlich gemacht", sagt der Sprecher der Stadtverwaltung. Ohnehin sollten Fußgänger auf den Fotos die absolute Ausnahme sein. Die sechs Kamerapaare, die am roten Spezialaufbau des Aufnahme-Fahrzeuges befestigt sind, sind nach unten gerichtet. "Sie erfassen den Verkehrsraum maximal bis zur Höhe der Straßenschilder", sagt Borchardt.

Eagle Eye schafft bis zu 60 Kilometer am Tag und bleibt dabei präzise

Die digitale Vermessung der Stadt schließt zugleich eine Lücke. Bisher kann niemand im Rathaus so genau sagen, wie viele Mülleimer, Gullys, Bänke oder Schilder es in Norderstedt gibt. Im Rathaus seien mehrere Fachbereiche mit der Straßenunterhaltung beschäftigt. Außerdem sei die Infrastruktur zum Teil älter als die Stadt selbst, sodass die Verwaltung auf Akten der vier Norderstedter Ursprungsgemeinden angewiesen sei.

Bisher vermessen Fachleute die Stadt. "Jeder kennt das Bild, bei dem der Vermessungsingenieur das Ziel durch das typische Winkelmessinstrument auf einem Stativ anpeilt. Mit der herkömmlichen Technik ist aber kaum mehr als ein Kilometer am Tag zu vermessen. Wir schaffen mit unserem Spezialfahrzeug 50 bis 60 Kilometer", sagt Diplom-Ingenieur André Ingenpaß, der das Adlerauge-Projekt in Norderstedt leitet und selbst Vermessungsingenieur ist.

Daher braucht das Berliner Unternehmen auch nur eine Woche, um die rund 300 Kilometer an kommunalen Straßen zu fotografieren. Ein zweites, kleineres Messfahrzeug sammelt in den Grünanlagen und auf den Friedhöfen die Daten. Die ersten Bilder haben die Kameras schon geschossen, voraussichtlich bis zum kommenden Donnerstag werden sie in Norderstedt im Einsatz sein. Dann soll der öffentliche Raum komplett erfasst sein.

Zwei Kameras sind direkt nach unten auf die Fahrbahn gerichtet

Bevor die Besatzung, die aus dem Fahrer und einem Vermessungsfachmann besteht, zur täglichen Tour startet, testen die Bildersammler an einem speziell markierten Punkt, ob die Kameras einwandfrei funktionieren. "Es kann ja passieren, dass die Objektive verschmutz sind, oder sich ein Blatt davor gesetzt hat", sagt Projektleiter Ingenpaß. Es folgt das Einfahren, fünf Kilometer rechnen die Vermesser, dann seien die Geräte bereit für die tägliche Arbeit.

Zehn Aufnahmegeräte mit speziellen Sensoren fotografieren aus 2,70 Meter Höhe den Straßenraum, zwei Kameras am Heck sind direkt nach unten ausgerichtet. "Alle fünf Meter entsteht ein neues Foto, sodass wir den Straßenteppich flächendeckend abbilden können", sagt Ingenpaß. Im Innenraum spiegeln Monitore wider, was die Kameras in Bildern festhalten. An zwei Bildschirmen im Fond kann der Vermesser jederzeit die Geländebeschaffenheit und den genauen Standort ablesen. Im unteren Bereich rattert die Zahl im Eiltempo nach oben, die Anzeige gibt die Zahl der Aufnahmen wieder. Die Monitore vorne zeigen die Bilder von der Straße und dem Umfeld. Da sieht der Fahrer auch, wenn sich ein Auto von hinten nähert, allerdings seitenverkehrt.

Natürlich erfasst das Adlerauge auch das, was die Autofahrer ärgert: Der lange Winter hat jede Menge Schlaglöcher in die Fahrbahnen gerissen. "So bekommen wir den Zustand der Straßen gleich mitgeliefert, und zwar komplett", sagt Borchardt. Wenn die Ergebnisse vorliegen, wolle die Stadt die Schäden beseitigen.

Die Aufnahmen sollen auch als Basis dafür dienen, in welcher Reihenfolge die Löcher geflickt werden. Und Hauke Borchardt kennt noch einen weiteren Anwendungsbereich, der mit den Daten von Eagle Eye kostengünstiger erledigt werden könnte. Wenn städtische Politessen Knöllchen schreiben, gegen die sich später Bürger zu Wehr setzen, könnte dann schnell nachgewiesen werden, dass zum Beispiel auf einem fraglichen Straßenabschnitt tatsächlich eine schraffierte Fläche vorhanden ist oder absolutes Parkverbot herrscht. "Ich gehe davon aus, dass wir Eagle Eye künftig regelmäßig durch die Stadt schicken, um immer aktuelle Daten zu haben", sagt der Norderstedter Rathaussprecher.