Die lärmenden Rammarbeiten sind abgeschlossen - wie es jetzt auf der Großbaustelle am Nordport weitergeht. Der Baugrund sei erdgeschichtlich unendlich spannend - für Baustatiker allerdings ein Albtraum.

Norderstedt. Das also ist das Ergebnis jener Rammarbeiten, die den Anwohnern in Norderstedt, Langenhorn und Niendorf in den vergangenen Monaten den letzten Nerv raubten. In der mächtigen Baugrube an der Niendorfer Straße lugen die baumstammdicken Betonsäulen zwei bis drei Meter aus der Erde. Wie sie dort in Reih und Glied stehen, wirken sie ein wenig wie die brachiale Interpretation der Terrakotta-Armee des ersten chinesischen Kaisers. 1200 Säulen hat Tesa SE in den Norderstedter Boden gerammt. Die meisten davon unter ohrenbetäubendem Lärm, erzeugt von stampfenden und schnaufenden Rammen.

Doch das Rammen und der Lärm sind seit Anfang März Geschichte. "Und es wird in der restlichen Bauzeit auch keinen vergleichbaren Lärm mehr geben", sagt Jens Koth, 46. Der Architekt ist Bauleiter des größten Investitionsprojektes in der Geschichte der Tesa SE. Bei einer Führung über die Baustelle erläutert er, wie der Zeitplan für das 160-Millionen-Euro-Projekt aussieht.

Der Untergrund ist ein prähistorischer Wackelpudding

Der Baugrund, sagt Koth, sei erdgeschichtlich unendlich spannend. Für Baustatiker ist er ein Albtraum. "Wir haben bis weit über 20 Meter in die Tiefe gebohrt. Da stoßen sie auf Baumstämme und Pflanzenreste, die sich dort vor Millionen von Jahren in abgesackten Schichten abgelagert haben", sagt Koth. Was Geologen entzückt, ist keine gute Grundlage für die Errichtung von drei Gebäudekomplexen mit einer Brutto-Geschossfläche von fast 65.000 Quadratmetern. Die Last würde schlicht im Boden einsacken. Die Betonsäulen verdichten den Grund und geben ihm die nötige Stabilität.

Tesa hatte sämtliche Genehmigungen für das Rammen der Säulen und alle Anwohner der Umgebung auf der Zinne. In Glashütte, in Langenhorn, sogar in Niendorf war das Rammen zu hören und zu spüren. Tesa bemühte sich um Rücksichtnahme, schränkte die Arbeiten zeitlich ein, prüfte alternative und teurere Bohrverfahren und installierte schließlich mit dem Diplom-Ingenieur Gerhard von Wyszecki einen Nachbarschaftsbeauftragten, der sich der Wut der Nachbarn annahm. "Ich hatte 39 Anfragen und Beschwerden von Bürgern. Mit allen habe ich mich in Verbindung gesetzt. Manche habe ich besucht, um die Arbeiten zu erläutern. Außerdem haben wir mit Gruppen Führungen über die Baustelle gemacht. Lediglich ein Anwohner hat gleich seinen Anwalt geschickt", sagt von Wyszecki. Bei den meisten Bürgern habe schließlich die Einsicht überwogen, dass man da wohl jetzt durch müsse. "Und 13 Bürger meldeten sich auch, um uns zu sagen, wie gut sie es finden, dass Tesa das Projekt in Norderstedt realisiert und Arbeitsplätze schafft", sagt Wyszecki.

Für manche hat der Ärger um den Lärm noch ein juristisches Nachspiel. Der Norderstedter Anwalt Bernd Herbst vertritt einen Mandanten aus Langenhorn, der Schadenersatzansprüche gegenüber Tesa geltend machen will. Gerüchte, wonach Tesa sich gegenüber Nachbarn mit kleinen finanziellen Wiedergutmachungen erkenntlich gezeigt hätte, kann Bauleiter Jens Koth nicht bestätigen. "Die Rechtslage spricht eindeutig für uns, und selbstverständlich haben wir kein Geld an irgendjemand bezahlt."

Der Rohbau wird mit sieben Kränen in neun Monaten hochgezogen

Koth sagt, Tesa habe nichts zu verbergen und setze auf Kommunikation mit den Bürgern. "Wir wollen hier nicht einfach ein Gebäude hinklatschen, und am Ende sind alle im Umfeld unzufrieden", sagt Koth. In den kommenden Bauphasen bis zur Fertigstellung des Projektes im Herbst 2015 soll es immer wieder für alle Bürger bei Tagen der offenen Tür die Möglichkeit geben, sich ein Bild vor Ort zu machen.

Beim Gang über die Baustelle am Donnerstag sind die momentan beschäftigten 80 Bauarbeiter gerade dabei, die etwa einen Meter dicke Beton-Sohle der Gebäudeteile zu gießen. Die kommenden Monate bis Januar 2014 gehören den Rohbauern. Damit die sieben Geschosse für die Tesa-Hauptverwaltung, die sechs Geschosse für das Tesa-Forschungszentrum und die fünf Geschosse für das Tesa-Technologiezentrum in knapp neun Monaten entstehen können, werden 120 Bauarbeiter verschiedenster Gewerke und insgesamt sieben Krane benötigt. "Die Krane werden in den nächsten vier Wochen aufgestellt, einer davon ein Spezialkran mit etwa 50 Metern Höhe", sagt Koth. Für das schwere Gerät müssen übrigens jeweils Betonsockel mit je vier Säulen im Erdreich verankert werden - sonst würden auch die Krane einsinken.

Der Ausbau der Gebäude bis Januar 2015 erfolge mit vielen Firmen aus der Region und werde zeitweise bis zu 600 Handwerker auf der Baustelle beschäftigen, sagt Koth. Die übrige Zeit bis Herbst 2015 werde für die Mängelbeseitigung und Feinjustierung des Gebäudes genutzt. "Im Gebäude folgt die Form der Funktion. Es ist nicht verschachtelt, schick und klein. Es ist ein nüchterner Bau, der Unternehmensteile in einem logischen System zusammenführt", sagt Koth. Die Norderstedter müssten aber keine Angst haben, dass das Gebäude jegliche Ästhetik vermissen lasse und lediglich ein hässlicher Klotz am Straßenrand werde. "Bei der Fassadengestaltung werden wir mit Blech oder mit Faserzement arbeiten", sagt Koth.

Das Lieblingsprojekt des Bauleiters liegt direkt neben der großen Baugrube. Ein Feuchtbiotop, das zwanzig Jahre von keiner Menschenseele betreten wurde, in dem Amphibien leben, seltene Pflanzen wachsen, in dem die Feldlerche brütet und sogar der legendäre Wachtelkönig heimisch ist. Weil für die Trockenlegung der Baugrube unablässig Grundwasser abgepumpt werden muss, droht das Biotop zu vertrocknen. "Das wäre für uns ein Fiasko", sagt Koth. Also entwickelte die Bauleitung zusammen mit Umweltexperten ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem. Das abgepumpte Grundwasser wird nun gefiltert über zwei Düsen zu unterschiedlichen Zeiten über dem Biotop versprüht. Dazu säumen Amphibien-Fangzäune die Baustellengrenze.