Wer ist Jude? Ist noch Jude, wer getauft ist? Habe Viola Roggenkamp das Jüdischsein Erika Manns thematisieren dürfen, gleichwohl die Tochter Thomas Manns es ablehnte?

Norderstedt . Die unterschiedlichen Wege zweier jüdischer Töchter zeichnete Viola Roggenkamp in ihrer Lesung in der Buchhandlung am Rathaus in Norderstedt. Einmal die jüdische Tochter Erika Mann, die aufgrund der Erziehung durch ihre jüdische Mutter Katia Mann ihr Jüdischsein abwehrte, zum anderen die jüdische Tochter eines nichtjüdischen Vaters, die ihr Jüdischsein als selbstverständlich ansieht.

Die in Hamburg lebende Autorin las erst aus ihrem Essay "Erika Mann. Eine jüdische Tochter" (2005, Arche-Verlag) und entfachte damit eine Debatte unter den fast 80 Zuhörern. Viele jüdische Schriftsteller und Dichter, Musiker und Wissenschaftler haben sich taufen lassen, weil sie hofften, zu Beginn des vorigen Jahrhunderts und in der NS-Diktatur durch die Taufe sicherer zu leben. "Wer eine jüdische Mutter hat, ist Jüdin oder Jude", sagte Roggenkamp. Das besagt auch die Halacha, das Gesetz jüdischen Lebens.

"Es geht mir um das Aussprechen der Tatsache, dass die Familie Thomas Manns jüdisch war", sagte Roggenkamp. Auch während ihrer Zeit in den USA sei es für Erika Mann attraktiver gewesen, als Thomas-Mann-Tochter aufzutreten, denn als Jüdin, die dem Holocaust entkommen war. Der Essay sei keine Kritik an Erika Mann, sondern die Beschreibung einer Tatsache und des Umgangs der Betroffenen damit.

Kein Problem mit ihrem Jüdischsein hat die Tochter in dem autobiografischen Roman "Tochter und Vater", eine Anknüpfung an Roggenkamps Roman "Familienleben" (2004, Arche-Verlag). Der Vater stirbt, und die Tochter begibt sich auf Spurensuche. War er wirklich der Held ihrer Kindheit, der Mutter, Großmutter und sie als Kleinkind vor Hitlers Rassenwahn rettete? Sie entdeckt das Grauen, entdeckt, dass ihr Vater Hab und Gut von den in Auschwitz ermordeten Juden verkaufte, mit den Nazis gemeinsame Sache machte. Und damit seine kleine jüdische Familie rettete.

Vor der Lesung, veranstaltet von der Buchhandlung und dem Kulturverein Chaverim, wurde der sechs Millionen ermordeter Juden Europas zum israelischen Schoah-Tag gedacht.