Peter Eingrüber restauriert ein denkmalgeschütztes Grabmal aus Bad Bramstedt. Das Projekt kostet 20.000 Euro

Vorsicht mit dem Gold! Bloß nicht mit den Fingerspitzen das 23-karätige Metall berühren! Wer direkt auf die hauchdünnen Blätter greift, hat das Blattgold dort kleben, wo es nicht hingehört - auf der Haut. Peter Eingrüber hat sich 50 warm schimmernde Blätter neben die Pinsel auf die Werkbank gelegt. Jetzt kommt es auf den richtigen Moment an. Wer Metallbuchstuben vergolden will, muss sie mit einem Öl anfeuchten und eintrocknen lassen. Ist das Öl noch zu feucht, schwimmt die Goldschicht beim Aufpinseln davon. Ist es zu trocken, haftet der Belag nicht.

"Das ist Handwerk", sagt Peter Eingrüber, einer von fünf staatlich geprüften Metallrestauratoren in Norddeutschland. "Industriell ist so etwas gar nicht zu machen." Mit einem Pinsel trägt er das Gold auf die grundierten Messingbuchstaben, die den Namen Meyer ergeben. Mehrere Buchstaben musste Eingrüber vorher reparieren oder ersetzen. Sie hatten dem Bramstedter Wetter nicht standgehalten.

Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer war ein berühmter Mann aus Bad Bramstedt. Wo seine Gebeine liegen, weiß heute niemand mehr. Doch sein Grabmal, das bis vor einem Jahr neben der Maria-Magdalenen-Kirche stand und über die Jahre vor sich hin rottete, kennt jeder Bramstedter. Jetzt liegen die Einzelteile des mehr als zwei Meter hohen, gusseisernen Monuments in Eingrübers Werkstatt in Groß Disnack bei Ratzeburg.

20.000 Euro kostet es, bis der Meyers Metallturm wieder so wie einst hergestellt ist. In wenigen Wochen können die Bramstedter das mannshohe Schmuckstück aus der Stadtgeschichte wieder auf dem Rasen am Kirchenbleeck bestaunen. Jeweils 2000 Euro zahlen die Gildenstiftung und die Hamburger Emanuel-Loge, der Meyer angehört. Den Rest finanzieren die Bramstedter aus dem Etat des Kulturstaatsministers Bernd Neumann in Berlin.

Meyer kaufte im Jahr 1796 das Bramstedter Gut für 40.000 Taler

Meyer gehörte zu den einstigen Besitzern des Bramstedter Gutes, von dem heute nur noch das Torhaus erhalten ist, das im Volksmund Schloss genannt wird. Meyer, der in St. Petersburg studiert hatte, kaufte das Gut im Jahr 1796 für 40.000 Taler. Der studierte Jurist begegnete als junger Mann bei seinen Reisen nach Weimer Friedrich Schiller und arbeitete als Schriftsteller, Journalist, Bühnenautor und Bibliothekar. Großen Ruhm erwarb er sich bei seinen Zeitgenossen als Übersetzer literarischer Werke.

Eine kleine Öllampe am Sockel symbolisiert die Erkenntnis

Lokalhistoriker Jan-Uwe Schadendorf von der Gildenstiftung hat in einem Antiquariat eine Biografie über Meyer entdeckt, die kurz nach seinem Tod im Jahr 1840 entstanden war. Autorin war Elisabeth Campe, geborene Hoffman. Sie war mit dem Buchhändler August Campe verheiratet. Beide gründeten den Verlag Hoffmann und Campe. Meyer pflegte mit fast allen Größen der Literatur und des Theaters Kontakte, schreibt Schadendorf auf seiner Webseite www.alt-bramstedt.de.

Der Künstler, der die drei Metallplatten des pyramidenartig zusammengesetzten Grabmals und den Sockel einst konzipierte, platzierte Symbole des Glaubens und der Loge auf dem Konstrukt. Eine kleine Öllampe am Sockel symbolisiert zum Beispiel die Erkenntnis, mit der es allerdings bei früheren Restauratoren des Grabmals nicht allzu weit her gewesen sein dürfte. Dort, wo der Docht aus der Lampe herausschaut, vermuteten sie ein abgebrochenes Teil und schweißten den gleichen Griff wie auf der anderen Seite fest. Und fertig war die Suppenschüssel. Eingrüber hat seine Werkstatt in einem alten Bauernhaus eingerichtet. Oben, wo früher das Getreide lag, befindet sich sein Büro. Unten in der Werkstatt standen vor 20 Jahren Milchkühe. Auf der anderen Seite der schmalen kopfsteingepflasterten Straße steht die alte Schmiede, in der Eingrüber und seine Kollegen noch heute den Hammer schwingen und die Funken fliegen lassen. Eingrüber ist gelernter Kunstschmied und darf sich nach seinem Studium als staatlich geprüfter Restaurator für Metallobjekte bezeichnen. Zu seinen Arbeitsplätzen gehören die Ornamente auf den Kirchendächern in Hamburg und Ratzeburg ebenso wie die Fassaden der Lübecker Renaissance- und Barockhäuser mit ihren prachtvollen Mauerankern. Vor wenigen Wochen stieg er in Lübeck aufs Dach von St. Jacobi. Nur den Weg zu Wetterhähnen und Kreuzen auf Kirchturmspitzen vermeidet der Metallspezialist: "Das ist mir zu gefährlich."

Jetzt müssen die Buchstaben zwei Wochen bei Zimmertemperatur "ruhen"

Mit einem weichen Pinsel wischt Eingrüber die winzigen Goldkrümel fort, die nicht auf den Buchstaben des Meyer-Grabmals haften geblieben sind. Jetzt müssen die Buchstaben wieder zwei Wochen bei Zimmertemperatur "ruhen", wie der Fachmann sagt. Nebenan in der Schlosserei stehen die beiden anderen Platten grundiert zum Vergolden bereit. Der Sockel mit den sanierten Öllampen ist weitgehend fertig. Eingrüber ist sicher: Ohne die Restaurierung wäre das verrostete Grabmal demnächst auseinandergefallen. Ein als schützenswert eingestuftes Denkmal und ein lokalhistorisches Monument wären dahin gewesen. Wenn Eingrüber das Grabmal zurück nach Bad Bramstedt bringt, wird es auf einem neuen Fundament errichtet. Auf dem inzwischen ausgetauschten maroden Untergrund stand der alte Meyer schief.