Falkner Dietmar Damm aus Großenaspe hat einen Weg gefunden, um das volle Vertrauen von gefährlichen Greifvögeln zu erlangen

Yukon weiß ganz genau, auf wessen Unterarm er soeben gelandet ist. Der majestätische, vier Kilogramm schwere Weißkopfseeadler dreht seinen Kopf nach rechts, bewegt kurz die Flügel, krächzt dann laut und deutlich. Dietmar Damm lächelt zufrieden. "Er balzt mich gerade an. Yukon sieht mich als Partner." Ein schöneres Kompliment könnte ein Falkner nicht bekommen von einem Greifvogel. Denn die "Falconiformes" - so lautet die wissenschaftliche Bezeichnung - können niemals vollständig gezähmt werden, sie bleiben immer wild und haben einen unstillbaren Freiheitsdrang.

Doch Dietmar Damm hat einen Weg gefunden, um ein Vertrauensverhältnis zu schaffen zu Adlern, Falken, Bussarden, Uhus, Eulen oder Habichten. Warum gerade er dazu in der Lage ist, kann er schwer beantworten. "Es ist für mich kein Beruf, sondern eine Passion", sagt der 47-Jährige. Nur an so viel erinnert er sich: An erster Stelle stand vor fast 30 Jahren eine Ausbildung zum Tierpfleger. Schon damals lernte er das Verhalten von Greifvögeln kennen und sammelte mit jedem Tag mehr Wissen über die Besonderheiten der Spezies. Die mythischen Wesen - Bestandteil vieler Sagen - ließen ihn nicht mehr los. "Die Faszination hatte begonnen und seitdem nie mehr aufgehört."

Jeder Tag im Leben eines Falkners ist eine Herausforderung. Das beginnt schon daheim in Großenaspe, wo Dietmar Damm, Ehefrau Brigitte - ebenfalls eine Falknerin - sowie die Kinder Inka, Pia und Nils genauso zu Hause sind wie eine Tür weiter die 33 Raubvögel. Letztere bestimmen den Tagesablauf. "Ich gehe jeden Morgen nach dem Aufstehen erst einmal die Runde bei den Tieren", sagt Dietmar Damm. Sorgfältig inspiziert er, ob einer der Schützlinge eventuell Krankheitssymptome zeigt. Dann werden alle gewogen. In der Regel dürfen die Vögel nicht weit abweichen von den jeweiligen Fluggewichten, wobei dies auch von der Natur geregelt wird. Sprich: Hat beispielsweise ein Adler einen Tag zuvor reichlich gefressen, verspürt er vorerst kein Hungergefühl und wird automatisch wieder abnehmen.

Eine Gruppe von Vögeln wird anschließend in den Transporter verladen - das Ziel ist Daldorf im Kreis Segeberg. Vom 1. März bis 31. Oktober ist dort Saison im Erlebniswald Trappenkamp mit der Falknerei Damm als einer der Hauptattraktionen. Zweimal täglich findet die Flugshow statt (11 und 15 Uhr), bei gutem Wetter sind mehrere Hundert Besucher nicht ungewöhnlich. "Die Vögel werden da aber nicht nervös, die sind daran gewöhnt", sagt Dietmar Damm. In den verbleibenden Monaten sind der Falkner und seine Vögel indes keinesfalls inaktiv. "Im Winter mache ich das, was jeder normal sterbliche Falkner tut - ich gehe zur Jagd."

Beizjagd heißt es, wenn ein Falkner nur mit beispielsweise einem Falken unterwegs ist. Dabei ist der Greifvogel die einzige "Waffe". Im Falle von Dietmar Damm erfüllt es auch die Funktion des Trainings. Der Natur schadet die Beizjagd nicht, denn der Selektionsprozess zwischen Räuber und Beute bleibt unberührt.

Damms Falken und Bussarde vertreiben ungebetene Gäste

Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Vergrämung. "Wenn jemand Probleme hat mit Tauben oder Möwen, muss er nur zu mir kommen", sagt Damm. Seine Falken oder Bussarde kommen dann auf Campingplätzen oder Firmengeländen zum Einsatz und vertreiben die ungebetenen Untermieter.

Es gibt keine konkrete Ausbildung zum Falkner, wohl aber müssen klare Vorgaben erfüllt werden, bevor jemand die Bezeichnung offiziell tragen darf. Dietmar Damm legte zunächst eine Jagdprüfung - inklusive Schießprüfung - ab, bevor er an den nötigen Seminaren für den Falknerschein teilnehmen durfte. Bevor ein Anwärter sein Zertifikat erhält, muss er theoretische Kenntnisse (Greifvogelkunde, Artenschutz, Recht, Haltung) nachweisen. Die folgende praktische Prüfung umfasst die Beizjagd sowie das anschließende, fachgerechte "Aufbrechen" des erlegten Wildes. Dietmar Damm bestand und war somit dazu berechtigt, Greifvögel zu erwerben. Bundesweit ist die Berufsgruppe im Deutschen Falkenorden organisiert. Die im Jahr 1923 gegründete Vereinigung ist die weltweit älteste.

Oft wird Damm von jüngeren Zuschauern die Frage gestellt, wie er es schafft, dass die Tiere so gut dressiert sind, dass sie auf kurzem Zuruf zu ihm fliegen und ruhig sitzen bleiben. Was so einfach und elegant aussieht, beruht jedoch auf komplexen und langwierigen Übungen, die zudem regelmäßig aufgefrischt werden müssen.

Die Grundlage der Falknerei ist das Abtragen. Diese Praxis beschreibt, wie Greifvögel durch den natürlichen Hungerinstinkt Motivation zur Jagd bekommen, aber gleichermaßen auch Handlungen erlernen, die wiederum die Beziehung zwischen Falkner und Tier stärken. Wichtig: Anders als etwa bei Hunden, die auch auf die Stimme oder auf Gesten reagieren, kann ein Falkner einzig über die Fütterung - die sogenannte Atzung - mit den Vögeln kommunizieren.

Die Vögel bekommen eine Belohnung, wenn sie zurückkommen

Dietmar Damm ist kein Züchter, sondern bekommt die Jungvögel aus Zoos, Wildparks oder anderen Falknereien. "Die Vögel haben das Jagen nie kennengelernt, bevor sie zu mir kommen. Das heißt, sie bekommen eine Belohnung, wenn sie zurückkommen."

Ist ein Tier neu bei ihm, bekommt es zum Schutz vor Stress in der ungewohnten Umgebung zunächst eine Haube aufgesetzt. Ist es dunkel, hat der Vogel Ruhe. Die ersten wichtigen Schritte in der Dressur finden in Damms eigenem Jagdrevier am Rande von Großenaspe statt.

So durchlief in diesem Winter ein junger Steinadler die verschiedenen Stufen des Abtragens. Den Anfang machte die Jagd mit einer Hasen- oder Fuchsschleppe. Sie wurde von Brigitte Damm aus dem Heck eines über die Wiesen fahrenden Autos gehalten, der Adler startete die Verfolgung, nachdem er die Beute in Bewegung erspäht hatte. In diesem Zusammenhang musste beachtet werden, dass der unerfahrene Jäger noch nicht die Kondition besaß für längere Flugstrecken. "Die Vögel können mit Höchstleistungssportlern verglichen werden. Die müssen auch jeden Tag trainieren", sagt Dietmar Damm.

Die Hasen schlagen ihre Haken, der Vogel fliegt ins Leere

Erst als der Steinadler kontinuierlich die Schleppe erbeutet hatte, sah der Falkner ihn als bereit an, auch lebendige Hasen zu jagen. Die Hatz über schneebedeckte Flächen war gegen die flinken vermeintlichen Opfer allerdings anspruchsvoll. Die Hasen schlugen ihre Haken, der Vogel flog ins Leere.

Damm weiß aus Erfahrung: "Von zehn Versuchen sind vielleicht zwei erfolgreich." Und selbst dann trifft es meist alte oder kranke Hasen - die natürliche Auslese eben.

Dietmar Damm steht mit seiner Arbeit in einer sehr langen Tradition, die bereits seit rund 4000 Jahren gepflegt wird. Hinweise auf die Existenz der Beizjagd gehen zurück bis ins 13. Jahrhundert vor Christus - es waren wahrscheinlichen Nomadenvölker in Zentralasien, die erstmals mit Greifvögeln jagten.

Heute ist die Falknerei sogar ein anerkanntes Unesco-Weltkulturerbe. Eines hat sich allerdings über die Jahrtausende nicht geändert. "Man benötigt Fingerspitzengefühl", so Damm. "Wer das nicht hat, kann 100 Jahre Falknerei betreiben und es funktioniert nicht. Ich kenne meine Vögel in- und auswendig."