Norderstedter lassen zu wenig Geld in der Stadt. Das Herold-Center wird erweitern, um zu überleben. Fachgeschäfte fehlen dort.

Norderstedt. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Kaufkraft hoch: Die Norderstedter können überdurchschnittlich viel Geld ausgeben. Doch die Händler in der Stadt profitieren nur zu 92 Prozent vom Potenzial. Kaufkraft fließt ab, nach Hamburg, Henstedt-Ulzburg oder nach Kaltenkirchen. Und die Situation könnte sich verschärfen, wenn Dodenhof wie geplant erweitert. Die Expansion bedroht vor allem das Herold-Center, das nach einer aktuellen Studie des Hamburger Beratungsbüros BBE erhebliche Umsatzeinbußen verkraften müsste.

"Den Abfluss der Kaufkraft muss man differenziert sehen. Bei Lebensmitteln ziehen wir sogar Kaufkraft an", sagt Karl Peter Knoll, Geschäftsführer von Karstadt in Norderstedt und Leiter des Arbeitskreises Wirtschaft bei Norderstedt Marketing. Auch im Textilbereich sei die Stadt vor allem durch die vielen Bekleidungsgeschäfte im Herold-Center gut aufgestellt. Lücken sieht Knoll bei Sportbekleidung und -artikeln, bei Möbeln und Unterhaltungs-Elektronik. Ein großes Möbelhaus werde in Norderstedt aber nicht mehr eröffnen, die Stadt sei geradezu umzingelt von Anbietern mit überregionaler Bedeutung. Die Wohnmeile in Halstenbek, Dodenhof, Möbel Kraft, Ikea Höffner, Hesebeck - wer sich ein neues Wohnzimmer oder Bett kaufen will, muss nicht weit fahren.

"Mit dem neuen Elektronik-Fachmarkt werden wir den einen Mangel hoffentlich bald beheben", sagt Danijela Brko, Managerin des Herold-Centers. Der Elektronik-Anbieter ist wesentlicher Baustein der seit Jahrzehnten geplanten Süderweiterung am Norderstedter Einkaufszentrum (wir berichteten). Vorgesehen sind zudem ein großer Lebensmittelmarkt und weitere Fachgeschäfte.

Im Süden lockt das AEZ Kunden, im Norden wirkt Dodenhof wie ein Magnet

Norderstedts Problem ist nach Ansicht der Gutachter von BBE die "Sandwichlage". Im Süden lockt das AEZ, im Norden entfalten das Fachmarktzentrum in Henstedt-Ulzburg, Dodenhof und seit vorigem Herbst auch das neue Outlet-Center in Neumünster Sogwirkung. "Natürlich fahren auch die Norderstedter ins AEZ. Aber das Einkaufszentrum in Poppenbüttel und das Herold-Center haben komplett unterschiedliche Funktionen", sagt die Managerin des Herold-Centers.

Das AEZ, wie das Herold-Center von der ECE betrieben, strahle mit seiner Größe, seinen hochwertigen Angeboten und seinem Flair überregional aus. Das Herold-Center Center hingegen diene eher der Nahversorgung. Die Atmosphäre sei familiär, das Sortiment orientiere sich am Durchschnitts-Budget. "Genau das aber kommt bei unseren Kunden gut an", sagt die Center-Managerin. Das Center könne auf Dauer aber nur überleben, wenn der geplante Ausbau realisiert wird. "Ein Elektronik-Markt zieht Kunden, und wenn die Frequenz steigt, werden wir auch für hochwertigere Markenanbieter attraktiv", sagt der Karstadt-Chef, der sich beispielsweise einen Herrenausstatter als Ergänzung vorstellen kann.

Susanne Schneider vom Initiativkreis Ulzburger Straße hat zwei Trends ausgemacht: "Die Leute fahren gern in Shopping-Center, wo sie unter einem Dach was erleben können, einkaufen, bummeln, besondere Aktionen, Kaffee trinken oder Mittag essen." Auf der anderen Seite stellen sie und ihre Kollegen eine "Auswahlkrise" fest. Die Menschen seien durch die Fülle der Produkte überfordert, das Bedürfnis nach kompetentem Rat wachse. "Und das ist unsere Chance als Fachhändler. Mit gutem Service, Flexibilität und Freundlichkeit können wir punkten", sagt die Geschäftsfrau, die vermisst, was auch bei vielen Kunden auf der Wunschliste steht: Fischhändler, Schlachter, Bekleidungsgeschäfte für Ältere und Kinder.

"Ich habe kein großes Mangelgefühl", sagt Tobias Mährlein von der Interessengemeinschaft am Schmuggelstieg. Es sei kaum zu verhindern, dass Kaufkraft nach Hamburg abfließe, dafür sei die City zu nah. Er begrüßt, dass die Stadt großflächige Einkaufsmärkte oder -zentren auf der grünen Wiese immer abgelehnt und so die bestehenden Läden geschützt habe. Verwaltung und Politik bemühen sich seit Jahren, die kleinen Zentren zu stärken.

Birgit Wieczorek, Vorsitzende im Bund der Selbständigen (BDS), appelliert an die "Kaufloyalität der Norderstedter". Sie sollten in der Stadt kaufen, das bedeute zwar mehr Wege, helfe aber den Händlern. Auch das Internet schlucke Kaufkraft. "In den örtlichen Fachgeschäften können die Kunden ein Produkt nicht nur testen, sie bekommen auch eine persönliche Beratung, bei der sie keine Nummer sind, sondern noch mit dem Namen angeredet werden", sagt die BDS-Chefin. Die Händler müssten offensiver darüber aufklären, was sie an Besonderheiten zu bieten haben. Gerade die vielen Neubürger seien oft nicht ausreichend informiert.

Skeptisch ist Stefan Sordyl von der Interessengemeinschaft der Geschäftsleute an der Rathausallee: "Ich glaube, wir müssen einfach ein Stück weit mit der jetzigen Situation leben." Als Läden leer standen, habe er sich intensiv bemüht, eine Coffee-Shop-Kette nach Norderstedt-Mitte zu holen. Doch die hätten nicht mal geantwortet. Dabei gebe es rund ums Hamburger Rathaus gleich drei Coffee-Shops. Auch Unternehmen wie Deichmann, Esprit oder S.Oliver gingen eher nach Husum als an die Rathausallee.

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