Eine Glosse von Mirko Schneider

Katzen gehören nicht ins Bett. Wem sage ich das? Meinem Kater Chip nicht. Sein Einzug in meine Wohnung ist nun fünf Wochen her. Es ist, als sei es in einem anderen Leben geschehen.

In diesem anderen Leben appellierte eine Freundin an mein gutes Herz. Eine Bekannte habe einen Kater abzugeben. "Du wünschst dir doch einen. Fahr mal hin", sagte sie. Ich fuhr hin. Chip, das wurde schnell klar, verdient meine Solidarität. Seine Besitzerin erklärte kummervoll, der zweite Kater des Hauses knurre "den Dicken", wie sie Chip liebevoll nannte, ständig an. Sogar nachts. Chip sei eben ein Leckermaul. Er liebe nicht nur sein Fresschen. Außerdem sei er schüchtern und werde immer trauriger. Er tue ihr leid. Ich fühlte sofort: Hier wurde jemand wegen falscher Ernährung zum Außenseiter gemacht. Erinnerungen an längst vergangene Schultage ließen mich die Faust in der Tasche ballen. Ich nahm Chip zu mir. In den ersten zwei Tagen sah ich wenig von meinem neuen grau-weiß gefleckten Hausgenossen mit den gelben Augen und dem stattlichen Bäuchlein. Er versteckte sich im Schlafzimmerschrank. "Gib ihm Zeit", riet die Freundin. "Er ist schwer traumatisiert." Ich gab ihm Zeit.

Nach drei Tagen trank und fraß mein Kleiner eine ganze Menge. Die Idee, ihn auf strikte Diät zu setzen, machte er durch vorwurfsvolle Blicke auf meinen Bauchumfang zunichte. Seine erste Nahrungsaufnahme war der Startschuss für die Inbesitznahme meiner Wohnung. Die Holzplatten meines Bücherregals leisten ihm zum Faulenzen ebenso gute Dienste wie mein Sessel. Jeden Morgen springt er behaglich schnurrend um 6 Uhr in mein Bett. Er schmiegt sich an mich. Sein Blick sagt: Streichle mich! Füttere mich! Seine Haltung sagt: Auch hier ist das Personal nicht das Gelbe vom Ei. Ich habe ihn sehr ins Herz geschlossen. Obwohl Katzen nicht ins Bett gehören. Aber wem sage ich das?