Frost in Segeberg statt Sonne in Spanien: Die ersten Störche sind zurück und werden wegen des Wintereinbruchs auf eine harte Probe gestellt

Norderstedt. Zugvögel überlassen nichts dem Zufall. Wohin es sie zieht, zu welchem Zeitpunkt sie in ihre Winterquartiere aufbrechen und wann sie zurückkehren an ihre Nistplätze, all dies ist genetisch festgelegt. So auch bei den Störchen. Doch wie die Tierpfleger im Wildpark Eekholt nun beobachtet haben, kann die faszinierende Intuition der Vögel von der Tagesaktualität des Wetters eingeholt werden. Denn der jüngste Wintereinbruch mit Schneehöhen von mehr als 20 Zentimetern im Norden hat die Resistenz der bereits wieder im Kreis Segeberg eingetroffenen Störche auf die Probe gestellt.

André Rose betreut im Wildpark Eekholt unter anderem Weiß- und Schwarzstörche. Er weiß aus Erfahrung, dass der Zeitpunkt der Rückkehr variieren kann. "Seit Ende Februar, Anfang März sind mal zwei, mal drei Störche wieder bei uns. Die stellen sich dann zu unseren Gehegevögeln und hoffen, einen Happen abzubekommen."

Etwa 30 Störche überwintern jedes Jahr im Wildpark Eekholt

Rund 30 Störche bleiben jährlich über die Winterzeit daheim im Wildpark. Dies geschieht in der Regel in Absprache mit Tierärzten. Rose: "Darunter sind Pfleglinge, die aufgrund von Flügelverletzungen nicht mehr in den Süden ziehen können. Das schaffen sie nicht, sie würden das nicht überleben."

Die Tierpfleger müssen je nach Wetterlage aufpassen, inwieweit den Tieren Schnee und Eis noch zugemutet werden können. Störche sind winterfest gebaut, aber nicht immun gegen alle Widrigkeiten. "Sie müssen auf einer Schneedecke noch laufen können. Wenn die Oberfläche verharscht ist, dann brechen sie sich die Beine. Und wenn die Temperatur über einen längeren Zeitraum minus 20 Grad beträgt, dann müssen wir die Vögel reinholen." Ähnliches gelte, so André Rose, wenn ein Storch in eine Art Kältestarre verfalle - das sogenannte Verklammen.

Doch alle Schützlinge, die gesundheitlich in der Lage dazu waren, verließen den Wildpark im Herbst des vergangenen Jahres. "Als Tierpfleger bin ich zufrieden damit, dass alle Vögel, die wegfliegen können, es auch tun. Das hat ja alles seinen Sinn. So finden sie in Breiten, wo kein Dauerfrost herrscht, auch an Fluss- und Seeufern etwas zu essen", sagt Rose.

Fachlich wird bei den Störchen zwischen Westroute und Ostroute unterschieden - die unterschiedlichen Zielorte bestimmen auch, wann die Zugunruhe für den Heimflug wieder einsetzt. "Es hängt davon ab, wo sie im Winter hinfliegen", so André Rose, "also ob nach Spanien oder nach Afrika, etwa in den Tschad. Das ist eine erheblich längere Strecke."

Mülldeponien im Süden sind das Paradies für Störche

Auf die iberische Halbinsel geht es über den Landweg, was den Störchen entgegenkommt. Und während die ursprüngliche Route eigentlich noch weiterführte über die Meerenge von Gibraltar bis zur Sahelzone, hat die Zivilisation die Vögel genügsam gemacht. Die Bedingungen vor Ort in Spanien sind schlicht zu paradiesisch. Zwar besagt eine Richtlinie der Europäischen Union, dass viele der dortigen offenen Mülldeponien bis 2017 geschlossen werden müssen. Doch solange dies nicht geschieht, gibt es dort für die Gäste aus Norddeutschland Futter im Übermaß - Mäuse, Ratten, Essenreste, Insekten.

Im Tschad bevölkern die Vögel im Winter den fischreichen Tschadsee, der trotz seines gesunkenen Wasserspiegels weiterhin ein wichtiges Quartier darstellt. Gleiches gilt für den östlich gelegenen Nachbarstaat Sudan, wo sich die Störche am Nil niederlassen. Die Strapazen sind jedoch unweit höher als für die Spanien-Urlauber.

Von Schleswig-Holstein bis in den Tschad dauert die Reise 16 bis 20 Tage, der Rückflug jedoch dreimal so lange. Die Strecke führt den Nil stromabwärts, dann über Israel, die Türkei und den Balkan. Dies ist beschwerlich, zumal Störche im Vergleich zu anderen Zugvögeln selten höher als zwei Kilometer fliegen, Gebirge folglich nicht überqueren können.

Je später die Störche über die Ostroute nach Hause kommen, desto stressiger könnte der Kampf um die Brutplätze im Wildpark Eekholt werden. "Ich hoffe, dass die Ostroutenzieher nicht auf den letzten Drücker kommen", sagt Rose. "Die Störche, die über die Westroute gekommen sind, machen keine Gefangenen, da entsteht eine regelrechte Konkurrenzsituation um die Nester."

Zuletzt ruhte der Betrieb allerdings. "Minus zehn Grad sind nicht gerade potenzfördernd. Aber in den Tagen vor den Schneefällen waren unsere Gehegevögel bereits fleißig am Nestbauen", so Tierpfleger Rose. "Wenn die Sonne wieder scheint und wir Plusgrade haben, geht das Geklapper wieder los."

Einige Kilometer entfernt bei den Storchenfreunden Hitzhusen nahe Bad Bramstedt wurden seit dem 22. Februar bereits sechs Rückkehrer aus Spanien wieder begrüßt. Doch auch dort leidet die Kolonie darunter, dass das Nahrungsangebot in der Natur überschaubar ist. Fische sind Mangelware, derzeit werden vorrangig Eintagsküken verfüttert. Bis die Gruppe wieder komplett ist, könnte es aber dauern: 2012 kam der letzte Weißstorch erst Ende Mai zurück.