Bei der Polizei hatte der Angeklagte behauptet, er habe sie für seine Ex-Frau gehalten

Kreis Segeberg/Kiel. Es ist eine unfassbare, grausame Tat, über die das Schwurgericht in Kiel unter Vorsitz von Richter Jörg Brommann urteilen muss: Manfred M., 60, aus der Gemeinde Großenaspe soll im August des vergangenen Jahres im Schlafzimmer der gemeinsamen Wohnung mit einem Küchenmesser auf seine schlafende Lebensgefährtin eingestochen haben (das Abendblatt berichtete).

Schreie des Opfers Birgit K., 57, veranlassten die Nachbarn, die Polizei zu rufen, die den Angeklagten stoppte und möglicherweise das Leben von Birgit K. rettete. Dennoch trug die Frau schwere Verletzungen davon und verlor ihr Augenlicht.

Die als Nebenklägerin auftretende Birgit K. wirkt gefasst und hat zu ihrer Unterstützung zahlreiche Freunde und Verwandte mitgebracht.

Zu Beginn des Prozesses erklärt Richter Brommann dem Publikum, dass es sich um ein Sicherungsverfahren handele, da die Staatsanwaltschaft von der Schuldunfähigkeit des in einer psychiatrischen Anstalt in Neustadt untergebrachten Angeklagten ausgehe. Am Ende werde nicht über eine Freiheitsstrafe entschieden, sondern über die dauerhafte Unterbringung des Angeklagten in einer solchen Einrichtung. Auf Antrag des Verteidigers wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Umso interessanter ist die Aussage des Polizisten, der den Angeklagten am Morgen nach der Bluttat vernahm: Der Angeklagte hatte berichtet, dass er am Tatmorgen um 3.30 Uhr geweckt worden sei und zur Arbeit habe gehen wollen. Da er etwas im Schlafzimmer vergessen hatte, sei er dorthin zurückgekehrt und habe die auf der Seite im Bett liegende Frau für seine Ex-Frau gehalten, die sich mit einer Perücke in die Wohnung geschlichen und ins Bett gelegt habe, um ihn zurückzugewinnen. Das sei nämlich schon einmal in der Trennungsphase so gewesen. Erst habe er mit einem Küchenmesser versucht, sich selbst auf dem Sofa liegend umzubringen, indem er sich mehrmals in den Bauch gestochen habe - auch in Richtung Herz. Als das misslungen sei, habe ihn plötzlich eine unbändige Wut auf seine vermeintlich im Bett liegende Ex-Frau gepackt. Deshalb habe er der Schlafenden mit dem Messer erst in den Hals gestochen, sie gewürgt und ihr dann gezielt in die Augen gestochen. Mit der heftigen Gegenwehr der Frau, die laut um Hilfe gerufen habe, habe er nicht gerechnet.

Der Angeklagte hatte Birgit K. im Jahr 2007 über eine Anzeige kennengelernt, als er noch verheiratet war, die Ehe sich aber in einer Krise befand. Zu seiner neuen Freundin nach Wiemersdorf zog er schon nach wenigen Tagen, dann suchte sich das Paar die Wohnung in Großenaspe. Der gelernte Schriftsetzer war mehr als 30 Jahre in einer Norderstedter Firma als Fotosetzer tätig und wurde nach seinen Worten entlassen, weil er zu teuer war.

Möglicherweise versetzte dieses Ereignis dem nach Aussage eines Bekannten intelligenten und gebildeten Mann einen Knacks. Über eine Zeitarbeitsfirma war der Angeklagte in Kaltenkirchen bei einem Lebensmittelhersteller als Produktionshelfer angestellt. Der Personalleiter erzählt davon, dass sich der Angeklagte als Schichtleiter beworben habe und einiges in dem Betrieb habe ändern wollen. Nach seiner Bewerbung habe er sich von Detektiven verfolgt und beobachtet gefühlt, sowohl während der Arbeit als auch auf dem Weg nach Hause.

Ansonsten wird der Angeklagte von Bekannten als zwar introvertiert, aber umgänglich beschrieben. Eine solche Tat sah niemand kommen.

Der Prozess wird unter anderem mit der Erörterung eines Gutachtens zum Geisteszustand des Angeklagten fortgesetzt - ebenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit.