Der 66 Jahre alte Jan Christian Wulff liebt seinen Beruf. Ans Aufhören denkt der Arzt noch nicht - ist aber an einer Kooperation interessiert.

Sülfeld. Für Jan Christian Wulff ist es ein idealer Beruf. Er ist Landarzt aus Leidenschaft. Seine Praxis in Sülfeld führt er mit viel Elan - und ans Aufhören denkt er nicht. Zumindest noch nicht. Allerdings sagt der 66-Jährige auch: "Im Prinzip bin ich interessiert an einer Kooperation mit einem jüngeren Kollegen."

Dafür hat Wulff einiges zu bieten. Er kann Kollegen auf der Hälfte des Wegs ihrer Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin begleiten - das sind zweieinhalb Jahre und die Höchstdauer für einen Ausbilder. Außerdem hat er nicht nur die klassische Schulmedizin im Blick. Seit er sich vor 30 Jahren niedergelassen hat, beschäftigt sich Wulff auch intensiv mit Naturheilkunde. Für einen potenziellen Partner und Nachfolger in der einzigen Praxis am Ort wäre er also ein guter Mentor. Aber bisher hat niemand Interesse. Zwar steht die Suchanzeige bereits seit mehr als einem Jahr bei der Kassenärztlichen Vereinigung, eine Anfrage habe er aber noch nicht gehabt, sagt Wulff.

Nicht nur in Sülfeld fehlt der Nachwuchs. Zwar gebe es derzeit noch kein Problem mit der Versorgung durch Hausärzte im Kreis Segeberg, sagt Dieter Freese, Vorsitzender der Kreisstelle der Kassenärztlichen Vereinigung. Aber der Blick auf die Altersstruktur seiner Kollegen macht ihm Sorgen. So sind 52 und damit knapp jeder Dritte Hausarzt im Kreis bereits über 60 Jahre alt, elf sind älter als 65. Dazu ist mehr als ein weiteres Drittel zwischen 50 und 59 Jahre alt. "Die Aussichten für die Zukunft sind schlecht", sagt Freese.

Jan Christian Wulff kann sich mittlerweile keine spannendere Tätigkeit als die des Hausarztes vorstellen, und er kennt auch die andere Seite. Bevor er sich in Sülfeld niederließ, arbeitete er an der Uni Kiel und forschte Anfang der 80er-Jahre in den Vereinigten Staaten. Als er von dort zurückkam, war er noch ein Jahr Oberarzt an der Uniklinik in Kiel. "Nach einem Jahr habe ich gemerkt, dass das nicht die Medizin ist, die ich mein Leben lang machen will", erzählt Wulff. Er habe die Hochschulmedizin als einen teuren Reparaturbetrieb kennengelernt, bei dem er als Mediziner am letzten Ende einer Kette stand. Das ist nun anders.

Als Hausarzt habe er den ganzen Menschen im Fokus und einen systemischen Blick entwickelt, erläutert Wulff. "Das wird häufig unterschätzt", sagt er. Schließlich wüssten er und seine Kollegen, wohin sie welche Patienten überweisen müssten, welcher Facharzt gut und welcher nicht so gut sei. "Wir bekommen täglich Rückmeldungen von den Patienten", sagt er. Das sei auch im Interesse einer bezahlbaren Medizin. Dass dabei gerade die Hausärzte im Vergleich zu vielen Kollegen wenig verdienen, gehört in seinen Augen zu den Gründen dafür, warum sich immer weniger Allgemeinmediziner niederlassen wollen. Dabei gebe es beispielsweise durch die Naturheilkunde viele interessante Möglichkeiten, auch als Hausarzt gutes Geld zu verdienen.

In Zukunft fehlen allerdings nicht nur Hausärzte. Auch die Versorgung mit Frauenärzten, Neurologen, Kinderärzten und Augenärzten ist in Gefahr, wenn die derzeit niedergelassen Mediziner in den Ruhestand gehen. Insbesondere bei den Frauenärzten könnte es schon recht bald knapp werden, denn 40 Prozent von ihnen im Kreis sind laut den Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein über 60 Jahre alt. "Es wollen sich nicht mehr so viele Ärzte niederlassen", sagt Kreisstellenleiter Freese. Gerade Frauen wollten oft lieber als Angestellte und in Teilzeit arbeiten.

Dabei sieht Freese die Versorgung in den Ballungsräumen nicht in Gefahr. Norderstedt, Henstedt-Ulzburg, Kaltenkirchen, Bad Bramstedt oder Bad Segeberg werden künftig kaum vom Ärztemangel betroffen sein, zumal wenn durch eine neue Bedarfsrichtlinie vermutlich Mitte des Jahres neue Stellen im Hamburger Umland geschaffen werden. In den Dörfern sieht es anders aus. Kürzlich gab es in Seth Probleme, als die dortige Praxis aufgegeben wurde. Seth wird nun von einer Gemeinschaftspraxis in Leezen mitversorgt, die im Dorf dreimal in der Woche eine Sprechstunde anbietet. In Rickling betrieb bis vor Kurzem eine Trappenkamper Praxis eine Außenstelle. Nach deren Schließung versorgt der Arzt diejenigen Ricklinger mit Hausbesuchen, die nicht nach Trappenkamp kommen können.

Sprechstunden am Mittwoch- und Freitagnachmittag sind nicht mehr nötig

In Sülfeld ist die Versorgung durch Jan Christian Wulff derzeit gesichert. Aus seiner Sicht spricht nichts dagegen, dass das auch so bleibt. "Die Herausforderungen in den hausärztlichen Praxen sind viel geringer geworden", sagt er mit Blick auf die anstrengende Anfangszeit Anfang der 80er-Jahre. Heute seien durch den Ärztlichen Notdienst die Nächte abgesichert, und Sprechstunden am Mittwoch- und Freitagnachmittag seien auch nicht mehr nötig. "Die Präsenzpflicht ist dramatisch geringer geworden", sagt er. Wieder ein Argument für die Tätigkeit als Hausarzt - und für Jan Christian Wulff auch für die Arbeit auf dem Land, wo er schon immer lieber gelebt hat. Und schließlich sei die Arbeit von allen ärztlichen Tätigkeiten die "ärztlichste", wie sich der Vater von vier erwachsenen Kindern ausdrückt. "Man geht mehr auf die Person ein und verlässt sich weniger auf Geräte, die es in der eigenen Praxis ohnehin wenig gibt."