Am Mittwoch protestieren Lufthansa-Mitarbeiter am Norderstedter Schützenwall gegen Sparprogramm und betriebsbedingte Kündigungen.

Norderstedt. Wenn Lufthansa-Finanzchefin Simone Menne heute Morgen vor dem Gebäude der Revenue Services (LRS) am Norderstedter Schützenwall vorfährt, dann wird sie dort den Menschen direkt in die Augen schauen können, über deren berufliche Zukunft sie und der übrige Vorstand des Luftfahrtunternehmens in diesen Tagen entscheiden werden. Gemeinsam mit Ver.di-Südholstein hat der Lufthansa-Betriebsrat zu einer Protestkundgebung, von 8.30 Uhr an, vor dem Haupteingang des Verwaltungsgebäudes aufgerufen. Um Menne einen "gebührenden Empfang zu bereiten". Der LRS-Betriebsratsvorsitzende Klaus Kahlcke rechnet mit etwa 250 bis 300 Teilnehmern, darunter auch solidarische Lufthansa-Beschäftigte aus anderen Bereichen des Konzerns.

Die 400 Norderstedter Beschäftigten der LRS wissen immer noch nicht, wie es mit ihnen weitergeht. Ob mehr als 300 von ihnen schon innerhalb der nächsten drei Jahre auf der Straße stehen werden, so, wie es der Konzern als Maßnahme innerhalb des unternehmensweiten Sparprogramms "Score" angekündigt hatte. Eine faktische Auflösung des Standortes Norderstedt. Was die LRS hier seit 1998 erledigt, die Verarbeitung und Abrechnung von etwa 55 Millionen Lufthansa-Tickets im Jahr, das sollen möglichst schnell billigere Arbeitskräfte in Polen, Indien oder Mexiko erledigen.

Franz Thönnes (SPD) fordert Tarifvertragstreue von der Lufthansa

Doch die langjährigen LRS-Mitarbeiter kämpfen um einen fairen Umgang mit ihnen. Sie haben der Konzern-Spitze ein Alternativkonzept vorgelegt. Und zwar ganz ohne unrealistische Maximalforderungen. "Wir schlagen vor, den Abbau der Arbeitsplätze nicht über drei Jahre, sondern über elf Jahre zu gestalten. Dann kommt Lufthansa - wie sie es ja auch angekündigt hatte - ganz ohne kostenintensive betriebsbedingte Kündigungen aus", sagt Kahlcke.

Querfinanziert wäre dieser Zeitgewinn für die im Durchschnitt 46 Jahre alten Mitarbeiter durch die Fluktuation der Arbeitsplätze in dieser Zeit, sagt Kahlcke. Der Vorstand hat sich mit dem Konzept in den vergangenen Tagen beschäftigt. "Wir erwarten heute auf unserer Personalversammlung von Frau Menne nichts Endgültiges, aber doch richtungsweisende Aussagen, ob die zeitliche Streckung des Abbaus möglich ist und ob der Standort generell erhalten bleiben soll oder nicht", sagt Kahlcke. Unterstützung für ihre Forderungen erhalten die LRS-Beschäftigten aus der Politik. In einem Brief an den Vorstandvorsitzenden der Lufthansa, Christoph Franz, hatte der Segeberger Bundestagsabgeordnete Franz Thönnes (SPD) Treue zum Manteltarifvertrag gefordert. "Zweidrittel der Beschäftigten arbeiten schon seit über 15 Jahren bei LRS. Ordentliche, betriebsbedingte Kündigungen sind da laut Tarifvertrag ausgeschlossen. Das gilt es jetzt auch einzuhalten, denn soziale Gerechtigkeit basiert auch auf Vertragstreue."

Thönnes bittet darum, die Grundsatzentscheidung zum Arbeitsplatzabbau zu überdenken und den Standort Norderstedt zu erhalten. Falls die an der Negativ-Entscheidung festgehalten werde, sollen für die Beschäftigten sozialverträgliche und faire Verabredungen getroffen werden. "Die Beschäftigten haben jahrzehntelang ihre Arbeitskraft in das Unternehmen eingebracht und mit guter Leistung für Qualität und verlässliche Betriebsabläufe gesorgt. Diese gemeinsame Verbundenheit sollte Verantwortung und Verpflichtung sein, sich vertragstreu, verhandlungsflexibel und gesellschaftlich-sozial verantwortlich zu zeigen. Das ist die Deutsche Lufthansa ihren Beschäftigten schuldig", schreibt Thönnes an den Vorstandsvorsitzenden Franz.

Norderstedts Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote, der in laufendem telefonischen Kontakt zu LRS-Chef Reinhard Schäfer steht, fordert Lufthansa zu einer kreativen Lösung am Schützenwall auf. "Man darf nicht nur das betriebswirtschaftliche Ergebnis sehen. Und wenn es schiefgeht, dann soll die Kommune die Menschen auffangen." Wenn LRS-Mitarbeiter entlassen werden, dann müsse Lufthansa sich auch Gedanken machen, ob sie nicht am Standort andere angemessene Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten schaffen kann. Auf jeden Fall sollte Lufthansa über eine zeitliche Streckung des Arbeitsplatzabbaus nachdenken und gründlich über einen Erhalt des Standortes in Norderstedt nachdenken, sagt Grote.