Norderstedter Schüler nehmen vorweg, was das Bildungsministerium jetzt forcieren will: naturwissenschaftliche Bildung in der Mittelstufe.

Der Fahrroboter stoppt Zentimeter vor der Wand. Das Ultraschall-Auge schwenkt nach links und rechts, der Roboter dreht sich um 90 Grad und setzt seinen Weg fort. Die Schüler des Lessing-Gymnasiums nehmen vorweg, was das schleswig-holsteinische Bildungsministerium jetzt forcieren will: naturwissenschaftliche Bildung in der Mittelstufe der Gymnasien. Wissen aufnehmen und sofort auf Praxistauglichkeit testen - das ist das Motto für den Wahlpflichtkursus Robotik/Mathematik. Das heißt, Fahrroboter mit Lego Mindstorms bauen und so programmieren, dass Hindernissen ausweichen und automatisch einparken.

Renate Eileck, Lehrerin am Lessing-Gymnasium, und ihre Schüler haben in einer Arbeitsgemeinschaft seit vier Jahren ausprobiert, was nun an 35 Schulen im Norden Teil des Unterrichts werden soll. Seit einem halben Jahr tüfteln die Schüler im Wahlpflichtkursus drei Stunden pro Woche daran, ihre handlichen Modelle auf Kurs zu trimmen - eine Aufgabe mit viel Bezug zur automobilen Wirklichkeit. Auch die Hersteller testen Fahrzeuge, die der Autopilot sicher durch den Verkehr manövriert. In Teilbereichen funktioniert das schon - zum Beispiel beim automatischen Einparken.

Auch die anderen Gruppen haben noch mit Problemen zu kämpfen

"Unser Programm funktionierte schon mal besser, irgendwie hat sich da ein Fehler eingeschlichen, den wir bisher nicht gefunden haben", sagt Melina, 14, eines von zwei Mädchen im Kursus, in dem die zehn Jungen die Mehrheit bilden. "Der neue Schwerpunkt, den das Land Schleswig-Holstein jetzt an den Schulen etablieren will, zielt auch darauf ab, mehr Mädchen für Naturwissenschaften und Technik zu gewinnen", sagt die Kursusleiterin. Melina und ihre Projekt-Partnerin geben aber nicht auf. Sie arbeiten weiter daran, die Steuerung ihres Mindstorms-Modells zu perfektionieren.

Auch die anderen Gruppen haben noch mit Problemen zu kämpfen, wie die Demonstration im Labyrinth beweist. Auf dem Teppichboden im Klassenzimmer liegt eine weiße Holzplatte. Wände, die sich herausnehmen lassen, markieren den Weg, den die Fahrroboter zurücklegen sollen - möglichst ohne anzuecken. Doch das klappt nur begrenzt. Immer wieder kommen die Fahrzeuge vom schwarzen Streifen ab, der in der Mitte zwischen den Wänden die Straße symbolisiert.

Früher oder später endet die Fahrt der Roboter an der Wand

Die Räder laufen nicht synchron, sodass die Fahrt früher oder später an einer Wand endet. "Die Regelung ist ein hochkomplexer Vorgang, in dem eine Fülle von Informationen aufeinander abgestimmt werden müssen", sagt Kursusleiterin Renate Eileck. Hinzu kommen noch unterschiedliche Sensoren: Die Roboter werden per Licht, Ultraschall und Druck gesteuert.

Arne und Nanning laborieren noch an der Kurventechnik. "Zur einen Seite geht es, zur anderen noch nicht", sagt Arne, 14. "Die Schüler sind ja erst ein halbes Jahr dabei, da kann noch nicht alles klappen", sagt die Pädagogin. Noch haben sie bis kurz vor den Sommerferien Zeit, die Steuerprogramme zu optimieren. Dann gibt es Noten. Doch das schreckt die Schüler nicht, sie sind sich einig: So macht das Lernen Spaß - und ist nachhaltig. Wer Wissen nur aufnimmt, wird die Daten und Fakten eher wieder vergessen als Schüler, die anwenden, was sie gelernt haben - und selbst erfahren, was die Theorie für die Praxis taugt.

Die Uni Hamburg-Harburg hat die vier Bausätze finanziert

Mit im Boot ist die Technische Universität Hamburg-Harburg, durch die erfolgreiche Mathe AG ohnehin seit Jahren Partner des Norderstedter Gymnasiums. Die Uni hat die vier Bausätze finanziert und einige Hundert Euro in die Jugendlichen investiert, die nach dem Abitur helfen sollen, Lücken in der Arbeitsgesellschaft zu schließen. Naturwissenschaftlern, Technikern und Ingenieuren fehlt der Nachwuchs.

Bei den Jungen und Mädchen aus den achten und neunten Norderstedter Klassen hat sich der "Köder" schon verfangen. Viele wollen später an die TUHH. Im Robotik-Kursus erleben sie schon jetzt eine authentische Lern- und Berufssituation: im Team Probleme lösen. Lehrerin Renate Eileck hat mit dem Bildungsministerium des Landes abgestimmt, dass sie ihre Erfahrungen Kollegen gern zur Verfügung stellt und Einblick in den Kursus gewährt.