Norderstedt zählt zu den Top-Aufsteigern im aktuellen Test des ADFC. Es geht noch besser, sagen die Radler-Aktivisten.

Norderstedt. Fahrradfreundlicher soll Norderstedt werden, eine vorbildliche Radler-Stadt im Norden. Diese Parole hat Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote erst vor wenigen Wochen ausgegeben. Diesem Ziel sind Verwaltung, Politiker und die Aktivisten des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in Norderstedt schon ein gutes Stück nähergekommen. Der aktuelle bundesweite Fahrradklima-Test bestätigt den Norderstedtern deutliche Fortschritte beim Ausbau des Radverkehrs.

Im Vergleich zur letzten Analyse im Jahr 2005 hat sich die Stadt aus dem untersten Zehntel in die obere Hälfte vorgearbeitet. Vor acht Jahren schaffte es der hiesige Radverkehr unter 93 Städten mit weniger als 100.000 Einwohnern nur auf Platz 85. Bei der aktuellen Analyse hat der ADFC 252 Städte dieser Größenordnung untersucht. Norderstedt belegt Rang 95. Grundlage für die Tabelle ist eine Umfrage unter Radfahrern, an der sich 161 beteiligt haben. Sie mussten 27 Fragen beantworten.

Während die Studie den Hamburgern Stillstand im Vergleich zum letzten Fahrradklima-Test bescheinigt, hat Norderstedt die Bedingungen fürs Radeln überdurchschnittlich stark verbessert und zählt bundesweit zu den Aufsteigern. "Auf einer 100-Prozent-Skala steht die Stadt jetzt bei ordentlichen 62,3 Prozent gegenüber noch schwachen 7,61 Prozent aus dem Jahr 2005", sagt Joachim Brunkhorst vom ADFC Norderstedt, der das Engagement der Stadt für die Radfahrer anerkennt, zugleich auch großen Anteil daran hat, dass die Stadt kontinuierlich fahrradfreundlicher wird. Immer wieder legen die Rad-Aktivisten den Finger in die Wunde, teilen der Verwaltung mit, was verändert werden muss.

"Zum guten Ergebnis hat sicher die deutlich verbesserte Wegweisung beigetragen", sagt Rolf Jungbluth vom ADFC. An allen Kreuzungen oder wichtigen Punkten stehen Schilder, die die Richtung vorgeben und die Distanz zeigen. Doch auch das Radwegenetz wird von den Radler positiv bewertet. "Hier ist zu allererst der Schnellradweg entlang der Bahngleise zu nennen, auf dem Radfahrer flott und abseits der Straßen zum Rathaus und zum Herold-Center kommen", sagt Brunkhorst. Lange hat es gedauert, aber inzwischen hat die Stadt die Lücke im Radwegenetz zwischen Harksheide und Glashütte geschlossen. Auch nach Norden wird das Netz vorangetrieben: Zwischen der Straße Am Umspannwerk und der AKN-Station Haslohfurth wird ein Geh- und Radweg gebaut. 250.000 Euro sind dafür vorgesehen. Für gut zwei Millionen Euro wird der Radweg an der Segeberger Chaussee östlich der Poppenbütteler Straße saniert - die Oberfläche der Radwege hat von den Teilnehmern am Fahrradklima-Test nur eine 4- bekommen. Die Wege seien oft holprig.

Noch schlechter schneidet der Winterdienst auf den Radwegen ab. Dafür vergaben Norderstedts Radler nur ein 5+, denn: Bis zu diesem Winter hat die Stadt die Wege nicht von Eis und Schnee befreit. Die Anlieger, laut Satzung dazu verpflichtet, kamen der Räumpflicht nur unzureichend nach. Doch nun springt die Stadt in die Bresche und beseitigt die winterlichen Hindernisse für die Radler (wir berichteten). Dieser Service ist allerdings noch nicht in den Fahrradklima-Test eingeflossen, die Umfrage war zu dem Zeitpunkt schon beendet.

Auch zwei weitere Kritikpunkte will die Verwaltung überprüfen bzw. beseitigen: die Metallgitter dort, wo die Radwege auf Straßen treffen, und die Umleitung der Radler an Baustellen. Die Schilder "Radfahrer absteigen" sollen künftig nicht mehr aufgestellt werden. "Daher dürfte Norderstedt beim nächsten Fahrradklima-Test noch besser abschneiden", sagt Brunkhorst - eine Auffassung, die der Oberbürgermeister teilt: "In die aktuelle Analyse sind auch unsere Themen-Rundwege und die neue Horst-Embacher-Allee als Fahrradstraße noch nicht eingeflossen", sagt Hans-Joachim Grote.

Noten mit einer 2 vor dem Komma haben Norderstedts Radler für die Erreichbarkeit des Stadtzentrums (2,19), für die Wegweisung (2,44), das zügige Fahren (2,60) und die öffentlichen Räder (2,44) vergeben - Norderstedt war die erste Stadt im Hamburger Umland, die mit Nextbike Leihräder eingeführt hat. "Und die können sogar im Winter genutzt werden, was nur wenige Städte in Deutschland anbieten", sagt Jungbluth. Im Januar wurden immerhin 50 Nextbikes entliehen.

Bei allem Lob gibt es aus Sicht des ADFC noch offene Forderungen: das seit Langem geplante Fahrrad-Parkhaus am Bahnhof Norderstedt-Mitte, überdachte Abstellplätze an allen Bahnhöfen und Busbahnhöfen sowie am Schmuggelstieg, schnellere Grünphasen an Fußgängerampeln. "Vor allem aber müssen wir aus dem Gegeneinander von Auto- und Radfahrern ein Miteinander machen", sagt Brunkhorst. Für das gemeinsame Fahren auf der Straße vergaben Norderstedts Radler nur eine 4,63. Zudem klagen sie über zu viele Hindernisse auf den Radwegen.

"Das bedeutet vor allem Aufklärung. Viele Autofahrer wissen nicht, wo Radfahrer auf der Straße fahren dürfen", sagt Brunkhorst. Im Konflikt mit Fußgängern sei wichtig, dass Geh- und Radwege voneinander getrennt und die Radwege ausreichend breit seien.