Gutachten soll klären, ob der Angeklagte schuldfähig ist

Norderstedt. Björn I., 22, aus Hamburg kurvte nach dem Genuss einiger Bierchen Mitte März vergangenen Jahres in dem von einer Bekannten geliehenen Auto nachts durch Kaltenkirchen - und beschloss, so seine Erinnerung, sich umzubringen. Die Fahrt endete dann aber in der Karl-Zeiss-Straße an einem Wall, auf dem der Wagen sich festfuhr.

Diesem Unfall liegt eine tragische Lebensgeschichte zugrunde, die der Angeklagte, der neben 1,34 Promille Alkohol etliche Psychopharmaka im Körper hatte, aber keinen Führerschein besitzt, vor dem Norderstedter Amtsgericht in Kurzfassung erzählt. An dem Unglückstag war er wegen Verstoßes hausinterner Regeln vorzeitig aus einer Therapie in einer psychsomatischen Klinik in Bad Bramstedt entlassen worden. Eine Bekannte hatte ihm ihren Wagen geliehen, in dem Björn I. eigentlich übernachten wollte. Behandelt worden war der Angeklagte wegen eines Borderline-Syndroms und posttraumatischer Störungen, unter denen er seit Jahren leidet. Die Krankheiten sind die Folge einiger Schicksalsschläge, die der Angeklagte nicht verkraften konnte: Als er neun Jahre alt war, erkrankte seine alkoholkranke Mutter an Krebs. Da begann nach Aussage des Vaters Peter I., 56, die Veränderung bei seinem Sohn. Da die Mutter zeitweise extrem trank, kümmerte sich eine Großtante um den Angeklagten. Diese erstickte vor sechs Jahren an einem verschluckten Bonbon; sein bester Freund starb vor drei Jahren an einer Überdosis Drogen und die Mutter vor zwei Jahren an Krebs.

Das war alles zu viel für den Angeklagten, der nach eigenen Angaben unter starken Depressionen leidet und sich an das Unfallgeschehen in Kaltenkirchen nicht erinnert. Nur dass er völlig fertig gewesen sei und nicht mehr habe leben wollen, wisse er noch. Eine Betreuerin versucht jetzt, den jungen Mann wieder an ein selbstständiges Leben zu gewöhnen.

Es gibt ein weiteres Verfahren gegen den Angeklagten wegen einer mutmaßlich von ihm begangenen Brandstiftung im Mai vergangenen Jahres. Der Verteidiger des 22-Jährigen schlägt vor, beide Taten zusammen zu verhandeln, vorher müsse aber ein Gutachten zur Schuldfähigkeit seines Mandanten eingeholt werden. Richter Jan Buchert schließt sich dieser Meinung an und unterbricht die Verhandlung, um gutachterlich untersuchen zu lassen, ob der Angeklagte strafrechtlich überhaupt zur Verantwortung gezogen werden kann.