Seltener Fund von Archäologen bei Todesfelde weist auch auf Eisenverhüttungsanlagen in der Region hin

Todesfelde. Eine baufällige, dreckige Kfz-Halle in Bad Segeberg: hier zu arbeiten, macht keinen Spaß. Andererseits: Archäologen und Grabungshelfer sind nicht anspruchsvoll.

Sie arbeiten bei Wind und Wetter im Freien, wissen daher trockene Räume zu schätzen. Und wenn die auch noch beheizt werden können, sind sie beinahe der ideale Arbeitsplatz. Die Werkstatt ist zudem das fast perfekte Lager für ihre "Schätze", die sie im Bereich der geplanten Trasse der A 20 aus dem Boden geborgen haben. Hier geht es aber nicht um Schmuck oder andere profane Dinge, sondern um einen Schatz, der für Grabungsleiter Ingo Lütjens, 43, "wertvoller als Gold" ist: In Todesfelde hat sein Team eine äußerst seltene bemalte Urne aus der Zeit um 500 vor Christus geborgen. Lütjens: "Für mich ist dieser Fund vielleicht der Höhepunkt meiner Karriere."

In Todesfelde haben die Archäologen nicht nur Siedlungsreste gefunden, sondern auch etwa 150 Brandgräber aus der Bronzezeit und der vorrömischen Eisenzeit (1000 bis 100 v. Chr.). Zahlreiche Scherben zerstörter Keramikurnen wurden freigelegt.

Der Star unter den Leichengefäßen ist eine besonders hübsche und sehr seltene, weil sie bemalt ist. Als Grabungshelfer Jan Clausen Lütjens seine Entdeckung zeigte, "konnte ich es erst gar nicht glauben - Wahnsinn. Das ist vielleicht das einzige Mal, dass man mit so einem seltenen Gefäß in Berührung kommt", sagt Lütjens immer noch euphorisch. "In Schleswig-Holstein wurden erst zehn solcher Gefäße gefunden. Urnenbemalung ist in Norddeutschland ganz ungewöhnlich." Typisch sei sie eher für Süddeutschland. Die Todesfelder Urne weist dazu noch eine weitere Besonderheit auf. Denn die Muster - wenn es welche gab, dann wurden sie üblicherweise eingeritzt - sind nicht vor oder nach dem Brennen mit Farbe per Finger aufgetragen worden. Sondern sie sind während des Brennens entstanden. Lütjens: "Eisenhaltiger Tonschlicker (feinster Ton) ist vor dem Brand auf das Gefäß aufgebracht worden. Wenn der mit viel Sauerstoff gebrannt wird, dann reagiert das Eisen und wird rot." So kommt es, dass sich die Verzierung während des Brandes auf der Urne gebildet hat. Die Farbe ist also im Material und nicht darauf. Und das ist für den Experten wichtig. Denn: "Dazu gehört schon Know-how, und auch das eisenhaltige Material musste man gehabt haben." Aber woher hatten die Menschen das damals, etwa 500 vor Christus? Lütjens geht davon aus, dass die "Keramiker" damals Raseneisenerz verhüttet haben müssen. Das wiederum setze die Handhabung von "Schmelzöfen" voraus. "So was haben wir aber hier nicht gefunden."

Dass die Urne beispielsweise aus Süddeutschland nach Todesfelde gebracht worden sein könnte, hält er für ausgeschlossen. Zumal man in ihr den Leichenbrand eines Kindes gefunden habe. Also, folgert der Archäologe, müsse das Gefäß aus Anlass des Todes eines Kindes in Todesfelde hergestellt worden sein. Die gefundene Urne muss also etwas mit der Verhüttung von Eisen zu tun haben.

Jetzt wäre es für die Experten interessant, in Todesfelde nach weiteren Siedlungen mit dazugehörigen Verhüttungsanlagen aus der vorrömischen Eisenzeit zu suchen. "Denn nachgewiesene Verhüttungsanlagen aus dieser Zeit kennen wir in Schleswig-Holstein nicht." Doch aus der Suche wird nichts: Die Grabungen auf der Autobahn-20-Trasse sind abgeschlossen.

Zurück in die Werkstatthalle: Auf Holzplanken liegen große Mengen Leichenbrand - Reste verbrannter und in Urnen bestatteter Menschen. Das Material wird gereinigt, getrocknet und genau untersucht. Das hat nichts mit Leichenfledderei zu tun. Sondern mit wissenschaftlicher Akribie und Wissensdrang: Leichenbrand sei für Anthropologen sehr aufschlussreich, sagt Lütjens. Aus den Überresten könnten sie Rückschlüsse auf das Geschlecht, die Größe, das Alter, das Gewicht und sogar auf die Nahrungsgrundlagen der Menschen damals ziehen. Außerdem soll versucht werden, die DNA zu bestimmen. Das könnte Hinweise auf Verwandtschaftsbeziehungen der Toten geben.

Das ist ein uralter Bestattungskult. In Mitteleuropa kam die Bestattung in (Keramik-)Urnen etwa um 2500 vor Christus (Neolithikum) auf. Zuvor gab es die Totenverbrennung und die Bestattung des Brandrestes, allerdings nicht in Urnen.