Schlechte Noten für den Kreis Segeberg. Im Unfall-Atlas der Bundesanstalt für Straßenwesen schneidet Norderstedt schlecht ab.

Kreis Segeberg. In keinem anderen Bundesland ist das Unfallrisiko so groß wie in Schleswig-Holstein. Und der Kreis Segeberg nimmt dabei eine besondere Stellung ein: Hier sind besonders viele Kinder in Verkehrsunfälle verwickelt. Das geht aus einer Vergleichsstudie der Bundesanstalt für Straßenwesen, dem Kinderunfallatlas, hervor. Besonders gefährdet sind demnach Kinder, die mit Fahrrädern auf den Straßen unterwegs sind.

Unter den größeren Orten im Kreis schneidet die Kreisstadt Bad Segeberg besonders schlecht ab, bei den kleineren Orten nimmt Alveslohe eine Spitzenstellung im negativen Sinne ein.

Für die zweite Studie der Bundesanstalt wurden die Jahre 2006 bis 2010 ausgewertet. Unter 412 Kreisen und kreisfreien Städte in Deutschland belegt der Kreis Segeberg Rang 368 - umgekehrt bedeutet das: Nur in 44 Kreisen und kreisfreien Städten sind statistisch gesehen mehr Kinder in Unfälle verwickelt als zwischen Norderstedt und Bad Segeberg. Aus der Statistik geht hervor, dass in den fünf Jahren von je 1000 Kindern bis 15 Jahren 3,43 im Straßenverkehr verunglückt sind und dabei verletzt oder getötet wurden. Negativ-Spitzenreiter ist die Stadt Neumünster auf Platz 412 mit einer Quote von 5,67, der Landkreis Südwestpfalz schneidet mit der Unfallkennziffer 1,50 bundesweit am besten ab.

Für ihren Bericht hat die Bundesanstalt für Straßenwesen alle Unfälle ausgewertet, bei denen Kinder bis einschließlich 14 Jahren als Fußgänger, Radfahrer oder Mitfahrer im Pkw im Straßenverkehr verletzt oder getötet wurden. Insgesamt hat die Polizei in diesem Zeitraum knapp 160.0000 Kinderunfälle erfasst.

In Norderstedt hat es in dem erfassten Zeitraum laut der Statistik des Bundesamtes 193 Unfälle mit Kindern gegeben. Rein statistisch sind demnach von 1000 Kindern 4,04 Kinder auf dem Fahrrad, zu Fuß oder im Auto zu Schaden gekommen. Das ist im Vergleich zu anderen Städten mit einer Einwohnerzahl von 50.000 bis 100.000 eine hohe Zahl von Unfällen mit Kinderbeteiligung. In ganz Deutschland gibt es nur wenige Städte in dieser Größenordnung, in der mehr Unfälle registriert worden sind. Andererseits ist Norderstedt im Bundesvergleich immer noch eine Stadt mit der höchsten Verkehrsdichte. Viele Jahre galt Norderstedt als Ort mit der größten Verkehrsdichte überhaupt - aktuell gibt es keine Vergleichszahlen dieser Art.

Der Verkehrsbeauftragte der Norderstedter Polizei, Kai Hädicke-Schories, der gleichzeitig Geschäftsführer der Verkehrswacht Norderstedt ist, bezweifelt die Richtigkeit der Angaben des Kinderunfallatlasses. "Die Zahlen stimmen nicht mit unseren Erkenntnisse überein." Immerhin werden in Norderstedt alle Unfälle, in die Kinder verwickelt sind, genau registriert und analysiert: Von etwa 500 Unfällen im Norderstedter Stadtgebiet sind fünf bis sechs Prozent mit Kinderbeteiligung. "Wir gucken sofort auf die Ursache und versuchen, sie abzustellen - wenn es möglich ist", sagt Hädicke-Schorries. Insgesamt bewertet er die Zahl der Unfälle mit Kindern als "nicht auffällig". Er will ermitteln, woher die Statistiker der Bundesanstalt für Straßenwesen ihre Daten haben.

Von je 1000 Kindern sind in Norderstedt 0,71 als Fußgänger verunglückt, 2,3 als Radfahrer und 1,03 als Mitfahrer in Fahrzeugen.

Henstedt-Ulzburg ist im Kinderunfallatlas ebenfalls im tief dunklen Bereich: Im Vergleich der Orte mit 20.000 bis 50.000 Einwohnern liegt die Gemeinde im unteren Drittel - von 1000 Kindern sind 3,79 im Straßenverkehr verunglückt.

Auch andere Orte im Kreis Segeberg kommen im Kinderunfallatlas schlecht weg. In Bad Bramstedt sind von 1000 Kindern 5,12 verunglückt. Auffällig ist die hohe Zahl der als Radfahrer verunglückten Kinder: 3,92 - ein Spitzenwert im Bundesvergleich. Noch schlechter steht Bad Segeberg da: 7,26 verunglückte Kinder insgesamt. Kaltenkirchen kommt auf die Zahl von 4,22, Ellerau auf 1,78, Kisdorf auf 2,01, Tangstedt auf 2,19, Alveslohe auf 7,79. Negativspitzenreiter in Deutschland ist die kleine Gemeinde Tarbek aus dem Kreis Segeberg; 12,05 Kinder sind hier verunglückt. Warum das so ist, kann von Verkehrsexperten im Kreis Segeberg nicht beantwortet werden.

Auf dem flachen Land sind Kinder häufiger mit dem Rad unterwegs

Die Statistik der Bundesanstalt sagt allerdings nichts über die Unfallursachen aus. Die hohe Zahl der Kinder, die in Schleswig-Holstein als Radfahrer in Unfälle verwickelt sind, werden darauf zurückgeführt, dass man auf dem flachen Land generell mehr mit dem Rad unterwegs ist. Außerdem gehört Schleswig-Holstein zu den eher ländlich geprägten Bundesländern, in denen Kinder besonders oft als Mitfahrer im Pkw verunglücken.

Dr. Marc Schult, Chefarzt der Unfall- und Orthopädischen Chirurgie in der Asklepios-Klinik Nord, weiß aus Erfahrung, in was für einer belastenden Ausnahmesituation sich kleine Patienten und ihre Eltern nach einem Verkehrsunfall befinden: Er muss oft Kinder behandeln, die in Norderstedt und Umgebung im Straßenverkehr zu Schaden gekommen sind. Deshalb unterstützt er die Kampagne "Runter vom Gas!" des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und des Deutschen Verkehrssicherheitsrates. "Kinder sind noch nicht in der Lage, den Straßenverkehr richtig einzuschätzen und sich entsprechend zu verhalten. Sie sind auf die besondere Vorsicht und Aufmerksamkeit der Erwachsenen angewiesen."